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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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würde er heute noch leben. Eva hat ihm bei ihrem Streit derart ins Gewissen geredet, dass er nach einer schlaflosen Nacht zwar noch in aller Herrgottsfrühe den Crêpes-Teig vorbereitet hat, dann aber seine Meinung änderte und zu mir nach Keitum fuhr. Ich habe versucht, vernünftig mit ihm zu reden, das weißt du. Ich habe an ihn appelliert, dass er sich doch ohnehin noch nie etwas aus Geld gemacht hat und ich nicht wünsche, dass mein Elternhaus wegen der Auszahlung seines Erbteils verkauft werden muss. Nichts anderes wäre uns übrig geblieben. Nur über meine Leiche, habe ich gesagt. Als er dann trotzdem nach der Nummer des Notars fragte, um den Termin für den Erbverzicht abzusagen … da musste ich doch eingreifen. Ich wollte ihn nur daran hindern, mein Telefon zu holen, und habe ihn deshalb am Arm zurückgerissen. Das musst du mir glauben.«
    Sönke geht zwei Schritte die Treppe hinunter, bleibt dort stehen und sagt kein Wort.
    »Er stand genau da, wo du jetzt bist. Ich bin auf ihn zugestürzt, es gab ein leichtes Gerangel, und dabei ist es passiert. Er hat das Gleichgewicht verloren und ist gefallen. Er war nur ohnmächtig, aber in diesem Moment ist mir der Gedanke gekommen: Warum eigentlich über meine Leiche und nicht über seine?«
    Sönke hält sich am Geländer fest. »Mutter, hör auf damit. Ich will das nicht hören. Du hast dein eigen Fleisch und Blut ermordet, deinen Sohn, und du sprichst darüber, als sei dir eine gute Idee für einen Ausflug gekommen.«
    »Ich habe wie automatisch gehandelt. Nachdem ich ihn mit meinem Gürtel stranguliert hatte, bin ich auf den Dachboden gegangen, wo noch die Surfbretter deines Vaters lagern. Der Körper deines Bruders passte perfekt in eine Surfbretttasche. Wie für ihn gemacht. Es sah beinahe so aus, als läge er in einem Sarg.«
    Sönke schüttelt fortwährend den Kopf.
    Seine Mutter hat ihre Position dicht am Sessel nicht verlassen und zuckt mit den Schultern. »Das hast du selbst gesagt, als du nach meinem Telefonanruf hier angekommen bist.«
    »Ja, verdammt, aber bei dir klingt es so, als würdest du das auch noch schön finden.«
    »Nun, hätte ich ihn zerteilen und die Leichenteile irgendwo im Garten verstecken sollen? Nein, das hätte ich nicht übers Herz gebracht.«
    Sönke rauft sich die Haare. »Du bist doch krank im Kopf.«
    »Nein, ich musste so handeln. Dein Bruder ist selbst schuld. Er hatte die Wahl.«
    »Aber wir jetzt nicht mehr. Dein Plan wird nicht funktionieren, aber das habe ich dir schon gesagt, als wir Knut auf mein Boot gebracht haben.«
    »Es wird funktionieren, so glaub mir doch. Das hat es schon. Selbst wenn die Möwen einem Polizisten dieses Gürtelstück vor die Füße legen würden, was für Rückschlüsse sollte er daraus ziehen? Bestimmt nicht, dass dein Bruder in der Surfbretttasche an der Boje festgekettet weit draußen im Meer treibt.« Knuts Mutter lässt sich wieder in ihrem Sessel nieder. Will sie unsere Anwesenheit ignorieren, um uns mit einem Überraschungsangriff zu verjagen? Ihre Augen verraten mir das. Im Blickelesen bin ich gut, und wir sind auf der Hut.
    »Oh hätte ich dir nur nicht geholfen.«
    »Ich habe dich nur darum gebeten, den Abschiedsbrief zu schreiben, mir zu helfen, Knut in den Kofferraum meines Autos zu legen und die Surfbretttasche im Sonnenuntergang aufs Schiff zu bringen. Steuern kann ich immer noch allein, und das Tauchen verlernt man nicht, wenn man jahrelang von diesem Beruf gelebt hat. Noch hat mich die Krankheit nicht so weit im Griff. Ich bin nicht alt und schwach und schon gar nicht blöd. Sogar die Polizeitaucher haben Knut nicht gefunden. Und warum? Weil sie nach einem Mann suchen, der selbst ins Wasser gegangen ist. Nicht nach einem, der in einer unscheinbaren grauen Hülle liegt. Außerdem fährt kein Boot so nah an eine Boje ran. Niemand wird die Surfbretttasche bemerken, und wenn, dann wird man sie wegen der silbern schimmernden Außenhaut für eine Kegelrobbe halten. Das Einzige, was nicht funktioniert hat, ist die Sache mit Knuts Schirmmütze, die ich als sein unverkennbares Markenzeichen in der Nähe des Hafenbeckens ins Wasser geworfen habe. Ich dachte, sie würde angespült werden, und damit wäre die Hypothese des Selbstmords weiter untermauert worden, aber sie ist wohl bis heute nicht aufgetaucht.«
    Sönke schlägt mit der flachen Hand aufs Treppengeländer. »Aber die Polizei wird herausfinden, dass ich den Abschiedsbrief gemäß deines Diktats fingiert habe. Sie sind mir ja

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