Mordsonate
die Art stückle er sich ein Einkommen zusammen, mit dem er das Auslangen finde. »Große Sprünge sind da nicht drin, aber es genügen ja auch kleine Schritte, wenn man sie dafür intensiv erlebt.« Klar, seine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung an der Alpenstraße sei nicht eben erste Sahne: »Lärmschutzfenster … quasi frischluftfrei«, meinte er schmunzelnd.
»Deshalb auch das alte Haus im Grünen, ich verstehe«, schaltete Erich sich ein.
»Ja«, pflichtete ihm Brammer nachdenklich bei. »Aber damit waren von meiner Seite andere Pläne verbunden.« Der Mann sog Luft ein, die er mit einem Seufzer wieder durch den Mund entweichen ließ. »Rauchen ist hier nicht mehr erlaubt, nehme ich an?«
»Nein. Aber ich kann Ihnen einen Kaffee bringen lassen, wenn Sie möchten.«
»Da würde ich nicht Nein sagen.«
Harlander holte einen Becher Kaffee vom Automaten. Da das Getränk noch brühend heiß war, drehte Roland Brammer den dünnen Kunststoffbecher anfangs mit Fingerspitzen im Kreis, während er erzählte: »Ich habe sehr langfristig gepachtet, das meiste sofort auf den Tisch gelegt – eine Erbschaft.« Der Rest wäre der Renovierung vorbehalten gewesen. Er atmete laut aus, bevor er sagte: »Ich habe mir vorgestellt, dass dann auch unsere Kinder dort draußen aufwachsen könnten.« Er machte wieder eine Pause, nach der er vorsichtig einen kleinen Schluck von dem heißen Kaffee nahm. »Renate hat es aber woanders hingezogen, Sie verstehen. Sie war zwanzig Jahre jünger als ich. Man soll halt nicht so weit in die Zukunft hinein planen. An sich bin ich ja der Letzte, der so etwas tut. Undein einziges Mal in meinem Leben mache ich es anders, und prompt geht es schief.« Brammer sah nach einem etwas gequälten Auflachen in die Runde der ihm aufmerksam zuhörenden Beamten.
»Jetzt haben Sie das Haus also allein genützt«, stellte Erich fest.
»Nicht genützt. Leider. Zuerst habe ich geglaubt, ich kann es wenigstens als Probelokal verwenden. Hardrock stört dort wirklich niemanden … aber ich … immer wurde ich daran erinnert … ständig dachte ich an die Pläne, die ich mit dem Häuschen gehabt hatte, und deshalb ging das einfach nicht.«
»Aber Sie haben ein Pianino hineingestellt.«
»Nein. Nein, nein, ich war nie Pianist … ich klimpere zur Not einen Boogie, aber das ist schon alles. Ich habe am Mozarteum klassische Gitarre im Hauptfach studiert, aber nicht abgeschlossen, dafür Jazzgitarre in Graz …«
Bei Erwähnung des Mozarteums dachte Erich kurz an seine eigenen Pläne – ob er seine Wohnung also auch besser zuerst einmal allein einrichten und nicht schon fix auf Vera bauen sollte? Er wischte diese Überlegung fort, nachdem er es verabsäumt hatte, gleich wegen des Pianinos nachzuhaken, das voller Fingerabdrücke des Mordopfers Birgit Aberger gewesen war.
Roland Brammer trank nun die Hälfte seines Kaffees auf einmal aus, lehnte sich weit zurück und verhakte seine Hände so hinter dem Nacken, wie es auch Dr. Laber mehrmals am Tag tat, wenn er am Schreibtisch arbeitete. Dann sah er Erich fest in die Augen und fragte: »Ich will ja nicht neugierig sein, aber irgendwann müsste ich es doch erfahren, nicht? Warum interessiert sich denn die Polizei so sehr für das alte Häuschen?«
Als Erich ihm sagte, dass in seiner Nähe die Leiche vonBirgit Aberger und im Haus selbst reichlich Spuren des Kindes gefunden worden waren, blickte ihn der Musiker fassungslos an. Saß also auch mit diesem Lebenskünstler ein begnadeter Schauspieler vor ihnen? Erich hatte den Eindruck, die Regungen des Verdächtigten seien echt. Schärfer, als er wollte, setzte der Chefinspektor deshalb nach: »Sie können sich gut vorstellen, in welcher Situation Sie sich dadurch befinden, als Pächter des Hauses … mit Ihrer Vorgeschichte.«
Roland Brammer kniff die Augen zusammen und fasste sich ans Kinn, als hätte er Zweifel, dass es noch vorhanden war. Er dachte eine Weile nach, bevor er sagte: »Jetzt wird mir einiges klar. Ich konnte natürlich nicht wissen … ich hätte sofort nachfragen müssen, dann hätten wir das alles umgehend klären können: Ich habe das Häuschen vor etwa einem Monat endlich weitervermieten können.« Nachdem er lange vergeblich gesucht habe. Erich atmete unwillkürlich auf. Es habe erst geklappt, als er in den Kleinanzeigen »Ideal für Musiker!« inseriert habe, denn den Jungfamilien, die er zuerst angepeilt habe, habe das Geld gefehlt. »Ich wollte nämlich schon ohne Verlust aussteigen.« Und da sei ihm
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