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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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blickte deshalb ernst zu Boden und schüttelte den Kopf, sodass nicht ganz klar war, was sie damit zum Ausdruck bringen wollte. »Nur erwähnt«, murmelte sie fast tonlos und versuchte, enttäuscht zu wirken.
    Der Beamte nickte und wandte den kühlen Blick angewidert von ihr ab. Gerlinde nickte betrübt – dabei hätte sie am allerliebsten einen Luftsprung gemacht!
    »Es kann also sein, dass Sie zu dem fraglichen Zeitpunkt – da geht es natürlich um einige Stunden, wo das Mädchen die Wohnung Weger verlassen hat, mit ihm beisammen waren?«
    »Wie gesagt … ich kann mir das durchaus vorstellen, aber ganz genau weiß ich es natürlich auch nicht mehr, Sie verstehen.«
    »Na ja. Vielleicht fällt Ihnen dazu noch etwas ein«, sagte der Beamte emotionslos und zog seine Visitenkarte aus der Tasche, um sie Gerlinde zu übergeben. »Und kommen Sie bitte gelegentlich zu uns in die Alpenstraße, um die Aussage zu unterschreiben, ja?«
    »Natürlich, mache ich«, erwiderte Gerlinde und hegte schon die Befürchtung, der Kripobeamte habe ihre Erleichterung jetzt bemerkt. Aber der Mann streckte ihr nur die Hand entgegen, um sich mit einem knappen Danke zu verabschieden.
    »Ach … Herr …« Sie warf einen Blick auf die Karte. »Koller …«
    »Ja?«
    »Muss … ich meine, wenn Hans nun nicht mehr … muss seine Frau dann überhaupt … davon erfahren? Von unserem … von Hans und mir, meine ich …«
    »Wir versuchen es zu vermeiden. Wenn es irgendwie geht.«
    Gerlinde Brunner nickte.
    Wie alle Zugriffe zuvor ließ auch diese Festnahme die Pulsfrequenz Dr. Labers in die Höhe schnellen. Nach Jahrzehnten noch immer keine Routine – wie denn auch, war doch der Verlauf niemals vorhersehbar. Erich hatte tobende Verdächtigte ebenso erlebt wie apathische oder erkennbar erleichterte.
    Genauso angespannt wie ihr Chef standen Harlander und Mühlbauer mit ihm in diesem angesichts der Lage des Hauses unerwartet stillen, kühlen Vorhaus, das von einer kaum zu definierenden, nicht unangenehmen Geruchsmischungdurchzogen wurde – im Gegensatz zu Dr. Laber hielten die beiden ihre Dienstwaffen einsatzbereit.
    Nach mehrmaligem Läuten – aus dem Inneren der Wohnung war Rockmusik zu vernehmen – wurde die Tür geöffnet, und Roland Brammer stand mit einer Arglosigkeit im Ausdruck vor ihnen, die dem Chefinspektor ungespielt vorkam. Und als er in das faltige, gebräunte Gesicht des Mannes blickte, der das schulterlange, von einigen grauen Strähnen durchzogene Haar mit einem roten Gummiring zu einem Rossschweif zusammengebunden hatte, fiel die große Anspannung augenblicklich von Erich ab.
    Brammer bejahte noch in der Tür mit großer Gelassenheit die Fragen, ob er der Musiklehrer Roland Brammer und Pächter des besagten alten Häuschens sei, bestritt dann jedoch in seiner Wohnung, in die er die Beamten von sich aus einzutreten bat, als wären sie freudig erwartete Besucher, jemals wegen sexueller Übergriffe auf eine Schülerin rechtskräftig zu einer bedingten Strafe verurteilt worden zu sein. Er erhob seinen Widerspruch allerdings ohne erkennbares Engagement für seine Position. Weil ihm diese Frage als so abwegig erschien, dass jede Aufregung ihretwegen nur lächerlich gewesen wäre? Aber Erich hatte schon Menschen erlebt, die ihnen Unangenehmes so perfekt verdrängt hatten, dass sie am Ende selbst felsenfest davon überzeugt waren, dass es nie passiert war. Roland Brammer bot den Beamten in einem großen, spärlich und nachlässig möblierten Raum seiner »Zwei-Komma-fünf-Zimmer-Wohnung« auf einem alten Sofa und einem durchgesessenen Fauteuil Platz an und schaltete den CD-Player aus.
    Entlang einer Wand standen mehrere Gitarrenständer mit unterschiedlichen akustischen und elektrischen Instrumenten,die gegenüberliegende Wand wurde zur Gänze von Bücher-, Platten- und CD-Regalen eingenommen.
    Erich hatte kaum Zweifel, wovon der leicht süßliche Duft stammte, der in dem Raum auszumachen war. Aber sie waren nicht da, um einen allfälligen Cannabis-Konsumenten zu überführen. Vielmehr musste Dr. Laber sich zurückhalten, in dieser Atmosphäre nicht sofort auf seine eigene Zeit als Musiker zu sprechen zu kommen; vor allem hatte er sich davor zu wappnen, dass ihn die Sympathie, die er für diesen Menschen, der so sehr in sich zu ruhen schien (der vielleicht nur von einem Joint benebelt war?), spontan empfand, nicht zu falschen Schlüssen verleitete. Und so sagte er sich mit Nachdruck, dass vielleicht gerade das sanfte Wesen des Mannes

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