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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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Bei seinen ganzen Wehwehchen.«
    »Wenn dein Hinweis tatsächlich … Babsi, dann feiern wir das bei einem opulenten Essen.« Er machte eine Pause, bevor er schmunzelnd sagte: »Und da bringe ich dann auch deine nagelneue Tante mit, wenn du nichts dagegen hast.«
    Sie verstand sofort und zwinkerte ihm vergnügt zu, bevor sie sich zur Tür wandte.
    »Ach, Babsi …«
    »Ja?«
    Erich legte seinen Zeigefinger auf die Lippen. Sie nickte grinsend. Als sie schon weg war, hoffte er, dass sie das Ersuchen, nichts auszuplaudern, auch tatsächlich auf diesen BSL und nicht auf ihre neue Tante bezogen hatte.
    Der Chefinspektor stand mit seinen Mitarbeitern bei den Autos, um sich mit dem Einsatzkommando zu besprechen, bevor sie in die Kaigasse fahren würden. Als er gerade einsteigen wollte, erreichte ihn der Anruf eines Kollegen der Stadtpolizei: »Im Mozarteum ist eine übel zugerichtete weibliche Leiche aufgefunden worden. Eindeutig ein Gewaltverbrechen.« Die Tatortgruppe sei schon informiert.
    Erich begann heftig zu atmen und musste mehrmals schlucken.
    »Wir haben hier alles abgesichert. Herr Dr. Laber? Herr Chefinspektor?«
    »Ja … ja, ja … bin noch da. Ist der Name des Opfers bekannt?«
    »Ja. Eine Professorin aus dem Haus … Moment bitte … Stelzmann. Frau Verena Stelzmann.«
    Erich drohte die Stimme endgültig zu versagen, als er sich bedankte und den Fall annahm. Er hatte das Gefühl, mit offenen Augen im Wasser zu versinken. Gleichzeitig setzte in seinem Kopf ein immenses Getöse ein, und es war ihm, als erlitte er einen Fieberschub.
    »Chef? Alles okay, Chef?«
    Erich hatte irgendetwas gehört, jemand redete auf ihn ein. Er saß jetzt zusammengesunken auf dem Beifahrersitz des Autos, die Beine noch nicht im Fahrzeug, ohne Erinnerung daran, sich gesetzt zu haben. Mühlbauer stand mit seinem Telefon vor ihm. Erich konnte sich auch nicht daran erinnern, es ihm in die Hand gedrückt zu haben.
    Harlander kam mit einer kleinen Flasche Mineralwasser, schraubte sie auf und gab sie dem Chefinspektor. Der begann sofort zu trinken. Er müsse endlich aufwachen, sagte er sich … die Bettdecke zurückschlagen und diesen Alptraum hinter sich lassen, wie heute früh.
    Doch er hörte nur die Stimme seines Stellvertreters: »Soll ich ins Mozarteum, Chef?«
    »Nein, danke, nein, ich … das mache ich schon. Es passt schon so.«
    »Gut, dann übernehme ich mit dem Sigi diesen Lux.«
    Erich nickte mehrmals.
    »Oder wollen Sie überhaupt lieber heim, Chef? Sie sind total weiß im Gesicht.«
    »Nein, nein, es geht schon. Muss gehen«, erwiderte Erich und wischte sich mit dem Handrücken über die nassen Augen.
    Mit einem kurzen Blick auf das Klammeräffchen an ihrem Bildschirm wunderte Gerlinde sich darüber, wie schnell die Normalität ihres Alltags wieder in ihr Leben zurückgekehrt war. Als hätte sie sich diese Angst nur eingebildet. Die Panik, ins Bodenlose zu stürzen, ihren Posten zu verlieren und nach einer Verurteilung überhaupt jede Zukunftsperspektive, das alles schien weg zu sein wie ein vom Bildschirm gelöschter, misslungener Satz. Und ihr Leben machte jetzt einfach an der Stelle weiter, wo es zu entgleisen gedroht hatte. Nur bei dem Gedanken, wie knapp sie daran gewesen war, es durch eine Selbstanzeige sozusagen in Eigenregie zu zerstören, überlief sie noch eine Gänsehaut. Es erstaunte sie, dass mit der Gefahr, überführt zu werden, auch die Gewissensbisse, von denen sie sich zu befreien gehofft hatte, verschwunden waren. An ihre Verfehlung dachte sie jetzt wie an etwas, das doch längst verjährt war. Und so kam auch Gerlinde Brunner in den Genuss dieser wundersamen Belohnung des Gesetzgebers. Das Wort »Unrecht« ließ sie nicht mehr zuerst an sich selbst denken, sondern an die Zustände in diesem Land.
    Als später der DI vor ihr stand, um sich in den Urlaub zu verabschieden, und ihr beteuerte, wie beruhigt er sein könne, wo sie doch die Stellung halte, war endgültig alles wieder so, wie es die letzten Jahre immer gewesen war. Nur eines war anders für Gerlinde Brunner, ganz anders: Sie dachte an Roland Brammer, zu dem sie sich sofort hingezogen gefühlt hatte, obwohl er rein äußerlich nichts mit dem Typus eines Hans Weger gemein hatte. Sie hielt seineVisitenkarte in der Hand und war überzeugt, dass dieser Mann nichts mit dem grauenhaften Mädchenmord zu tun hatte.
    Als sie heute Morgen mit dem herrlichen Gefühl aufgewacht war, entronnen zu sein, empfand sie so deutlich wie noch nie zuvor, dass es oft

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