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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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würde Herr Weger doch jede Summe bezahlen. Wo er doch so maßlos enttäuscht gewesen war, als Anja bei der Ausscheidung nur Zweite geworden war. Aber warum dann mit dem Auto der Wegers … es war doch eindeutig das Auto von Anjas Eltern, mit dem sie hierher gebracht worden war. Und dieses Rasierwasser … Herr Weger benutzte das doch … der roch doch immer so stark … Birgit war ganz benommen von all den Überlegungen, bei denen immer wieder irgendetwas nicht ganz zusammenzupassen schien. Aber trotzdem … das kam ihr plausibel vor, die Verwechslung mit Anja. Und inzwischen … der Entführer hatte doch längst in ihren Rucksack geschaut und sofort gesehen, dass er das falsche Mädchen … bald schon würde er sie wieder laufen lassen. Bald! Sehr, sehr bald! Wie gut,dass der Mann dafür gesorgt hatte, dass sie ihn nicht beschreiben könnte. Und so unangenehm ihr diese Augenbinde auch war, so dankbar war sie jetzt dafür. Denn so hatte sie nichts zu befürchten, weil ihr Entführer von ihr nichts zu befürchten hatte.
    Birgit beruhigte sich damit, wie froh sie doch sein musste, dass er ihr den Schulrucksack weggenommen hatte. Wer weiß, ob er sonst seinen Irrtum so schnell bemerkt hätte. Er hatte doch schon hineingeschaut? Wenn nicht, dann bitte, bitte, lieber Gott, lass ihn hineinschauen!
    Oder hatte er längst auch Anja in seiner Gewalt? Birgit überlegte fieberhaft, was sie der Polizei nach ihrer Freilassung berichten könnte, damit Anja schneller gefunden würde … die Stimme, mein Gott, die Stimme … es müsste ihr einfach einfallen, wo sie diese Stimme schon gehört hatte … es kam ihr mittlerweile so vor, als habe sie das Rasierwasser bei derselben Gelegenheit gerochen … War es nicht in einem Auto gewesen? Und die Stimme, die hatte … hatte die Stimme nicht ein ganz klein wenig anders geklungen? War sie in einem Auto hinter dem Fahrer gesessen? Hatte sie dabei nicht die Stimme gehört, während ihr gleichzeitig der starke Geruch in die Nase gestiegen war?
    Wenn sie sich erst beruhigt hätte und wieder in Freiheit wäre, sagte sich Birgit, würde ihr das alles wieder einfallen. Denn gerade, was sie einmal gehört hatte, merkte sie sich besonders gut … das war doch ihre große Stärke. Auf alle Fälle würde sie sehr bald frei sein, sehr bald! Und als sie daran dachte, kam es ihr einen Moment lang so vor, als würde sie in der Ferne schon das Hundegebell hören …
    Birgit war erfüllt von dieser Vorstellung, sah im Geist ihre Mutti und den Papa auf das Haus zulaufen und schluchzte vor Freude auf, als sie jäh aus diesen Gedankengerissen wurde. Der Schreck fuhr ihr in alle Glieder, als sie ganz deutlich hörte, wie eine Tür aufgesperrt wurde.
    »Geht der jetzt am Vormittag auch schon spazieren oder was?
    Ohne seiner Sekretärin Bescheid zu geben oder auch nur sein Handy eingeschaltet zu lassen … Genügt es dem Weger nicht, dass er gerade erst gestern Nachmittag vor einer wichtigen Sitzung davongerannt ist? Der Herr Vorstandsdirektor für Sonderprojekte! Ich fasse es nicht. Haut der heute schon wieder ab! Vor der nächsten Sitzung. Wenn er schon fachlich keinen Beitrag zu leisten imstande ist zur Lösung der Probleme, für die er wenigstens pro forma zuständig ist! Gerade jetzt, wo es dermaßen rund geht! Wo nach der Digitalisierung scheinbar überhaupt nichts mehr funktioniert beim Kabelfernsehen! Wo wir keine Signalstärke mehr hinkriegen, die ausreicht, dass die Kunden die Programme empfangen können, für die sie immerhin bezahlen, verdammt noch einmal! Und da geht das angeblich zuständige Vorstandsmitglied seelenruhig schon vormittags spazieren, damit nur ja alle Welt sieht, wie ernst wir unsere Probleme nehmen! Ja dreht denn dieser Weger jetzt total durch oder was?! Hat der endgültig sein bisschen Verstand verloren?! Pro forma ist das immer noch
sein
Sonderprojekt! Auch wenn das einzige Sonderprojekt, das der Herr Weger in der ENAG bislang entwickelt hat, in Wahrheit der Posten des Herrn Vorstandsdirektors Weger ist!«
    Der als Choleriker bekannte Vorstandsvorsitzende ließ seinen Unmut lautstark durch die offene Vorzimmertür hören. Und Gerlinde reagierte wie immer bei solchen Ausbrüchen des Diplomingenieurs Himmelsauer: Sie machte sich so wenig bemerkbar wie möglich, ging auf keine seinerrhetorischen Fragen ein. Dieses Gebrüll hatte sie als Teil des Naturells ihres Chefs zu akzeptieren gelernt. Und seit rund zwei Wochen war der DI noch reizbarer als früher, explodierte da drinnen

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