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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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bedienen.« Nach einer Kunstpause fügte er mit einem Grinsen hinzu: »Mit denen läuft die Inszenierung: Ausschreibung, Hearing, das ganze wunderbare Theater einer hundertprozentig objektiven Bestellung.«
    Der DI senkte seinen Blick auf die fünf Namen und schüttelte reflexartig den Kopf. »Was ist, wenn sich besser Geeignete bewerben? Ich bin für das
Unternehmen
verantwortlich und nicht –«
    Der junge Mann, der ihm nun gegenüber saß, lächelte ein einstudiert wirkendes Lächeln, bevor er ihm rüde ins Wort fiel und spottend sagte: »Es wird keine besseren Bewerber für die Nachfolge von Hans Weger geben, Herr Generaldirektor. Die hier sind die Besten!«
    Himmelsauer kämpfte mit seinem Abscheu, weil er schon allein den Typus verachtete, den der Parteisekretär verkörperte, diesen zynischen, kühlen und skrupellos innerhalb seiner einstudierten Rollen agierenden Machtmenschen, ein Typus, der längst die meisten jener Positionen besetzt hielt, die man mittlerweile vom Typus eines Diplomingenieur Himmelsauer weitgehend gesäubert hatte. Und genau dieser Umstand ließ dem DI gar keine andere Wahl, als zu akzeptieren.
    Da er schwieg, wählte der Junge einen versöhnlicheren Ton: »Sie profitieren von einem absoluten Novum, Herr Generaldirektor. Bei den Leuten auf der Liste handelt es sich durchwegs um Personen, die sogar fachlich etwas auf die Waage bringen. Das sind keine Autoverkäufer, die mithilfe irgendeiner Krawalltruppe in Funktionen aufsteigen, denen sie absolut nicht gewachsen sind. Und dieser enorme Qualitätssprung ist letztlich auch Ihr Verdienst, Herr Diplomingenieur. Und Sie wissen, dass Sie damit sehr, sehr viel erreicht haben. So etwas wäre vor ein paar Jahren vollkommen undenkbar gewesen!« Er lächelte jetzt auch den DI so gönnerhaft an wie zuvor dessen Sekretärin und bewegte ein wenig seine Kiefer, als hätte er einen Kaugummi im Mund und als wäre sein Gesicht gerade in Leinwand füllender Großaufnahme zu sehen. Danachtrank er seinen Espresso aus, räusperte sich und ließ Ungeduld anklingen, als er sagte: »Der Herr Gutensohn kam an der Hand des damaligen Parteisekretärs in die ENAG und wurde direkt bis vor seinen Schreibtisch geführt. So lief das früher.«
    Der DI wusste nur zu genau, was der Mann meinte. Und weil er auch wusste, dass er seinen Lebensstandard nicht einschränken wollte, der seiner Frau ermöglichte, in karitativen Tätigkeiten Erfüllung zu finden, hatte er doch schon längst akzeptiert. Gab es nicht wirklich Schlimmeres als das? Vielleicht wäre der eine oder andere auf dieser Liste sogar tatsächlich für die Firma zu gebrauchen. Und besser als dieser verfluchte Weger wäre wohl bald einer. Da der Generaldirektor noch immer schwieg und man den Parteisekretär davor gewarnt hatte anzunehmen, der alte Sturschädel sei ein Jausengegner, markierte der junge Mann mit unverhohlener Schärfe das Ende der Debatte: »Den Weger wollten Sie doch immer weg haben. Nur wir können ihn entfernen. Und zwar jetzt!« Als keine Reaktion erfolgte, drohte er: »Wir wissen Ihren Einsatz zu schätzen, Herr Himmelsauer, aber auch Leitungsfunktionen müssen von Zeit zu Zeit evaluiert werden. Sie verstehen?«
    Der DI wandte sich ab, nachdem ihm die Unverschämtheit dieses gelackten Lümmels, der nach zwei Semestern Betriebswirtschaft seinen Aufstieg in der Partei begonnen hatte, das Blut in den Kopf schießen ließ. Er sah auf das Papier, als er sagte: »Ich erwarte baldmöglichst die genauen Bewerbungsunterlagen. Vorab! Ich möchte keine Überraschungen erleben.«
    Der junge Mann nickte nur beiläufig, um dem alten Sack nicht das Gefühl zu geben, er habe in der Causa wirklich irgendetwas frei zu entscheiden, denn er wusste, dass er gewonnen hatte, seine Arbeit glänzend gemacht hatte.Er streckte seine Arme, bettete mit zufriedenem Ausdruck seine Krawatte auf der Hemdbrust ein klein wenig um, so dass sie exakt auf der Knopfleiste lag, und ließ dann die pompösen Manschettenknöpfe aufblitzen, während er sich an ein paar Parteifreunde aus seiner Uni-Zeit erinnerte, denen er Himmelsauers Posten zur gegebenen Zeit offerieren würde.
    Er fühlte sich jetzt ungemein erfrischt von diesem Erfolg, und es war wieder so wie vor einigen Tagen auf dem Seminar, wo es de facto um etwas Ähnliches gegangen war: Durchsetzungsstrategien in Zeiten demokratischer Widerstände. Wie hatte ihn dieser Vortragende beflügelt mit seinem Vergleich: Wie der Segler mit dem Wind müsse ein heutiger

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