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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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Entscheidungsträger mit dem demokratischen Gegenwind umgehen – ihn nützen und mit ihm Fahrt aufnehmen. Den Gegenwind zum Antrieb machen und ohne die Richtung zu ändern schnellstmöglich sein ursprüngliches Ziel erreichen. Der Mann hatte ihn an den früheren Kanzler seiner Partei erinnert – sein größtes politisches Vorbild!
    Und jetzt hatte er einen aus jener Krawalltruppe so elegant gekillt, der er sich selber fast angeschlossen hätte, wenn die Konservativen mit ihrem Angebot nicht schneller gewesen wären, nachdem er einen Aufsatz veröffentlicht hatte, in dem er die schädliche Wirkung des »Humanitätsgetues« auf die Ökonomie analysiert hatte, und von seinem Professor als Zukunftshoffnung an die Partei weiterempfohlen worden war. Er spürte jetzt die ungeheuren Sauerstoffmengen in seinem Blut, die Endorphine, die er sonst beim Marathonlauf aktivierte und die ihn fast vom Boden abheben ließen.
    Ohne sich noch sonderlich um den unförmigen Loser da am Besprechungstisch zu kümmern, stand er auf, tratvors Fenster, zog sich lässig die Hose ein wenig in die Höhe und rief aus: »Was für eine herrliche Stadt! Was für ein wunderbares Land!« Dann drehte er sich halb zum DI um und sagte: »Wie sind wir doch privilegiert, für die braven Leute da draußen etwas tun zu dürfen, damit sie es gut haben in ihrem Leben.«
    Himmelsauer war mit dem, was nun kommen würde, bestens vertraut: die Verhöhnung des Unterlegenen. Deshalb erhob er sich so dynamisch, wie ihm das möglich war – und es war ihm überhaupt nicht möglich –, trug das Blatt Papier zu seinem Schreibtisch, um es achtlos am äußersten Rand abzulegen, ohne dass ihm diese kleine Geste scheinbarer Macht Befriedigung verschafft hätte, und streckte dem Mann mit ernstem Gesicht die Hand entgegen. »Die Termine …«, sagte er – und es klang in seinen Ohren nicht nach großem Steuermann, sondern nur jämmerlich. Genauso jämmerlich, wie er sich fühlte, weil er wusste, dass er dankbar sein musste, den ENAG-Vertrag bis zu seinem Ruhestand behalten zu dürfen. Denn damit wäre er zumindest bei einer Schlacht auf der Seite der Sieger, obwohl der Krieg für ihn und seinesgleichen längst verloren war. Denn keine Vorstellung schien ihm demütigender zu sein als die, dass ihm nun schon solche persönlichkeitsfreien Blender gefährlich werden konnten. Geschafft fühlte sich der DI doch nach diesem Besuch, bei dem ihm sogar die Terminwahl genommen worden war.
    Gerlinde kämpfte mit Übelkeit, versuchte sich jedoch so wenig wie möglich anmerken zu lassen, und blätterte geschäftig in einem Schnellhefter, als sich die Verbindungstür zum Chefbüro öffnete. Der junge Mann durchmaß ihr Vorzimmer mit federnden Schritten – und zwinkerte ihr doch tatsächlich zu, als sie kurz ihren Kopf hob. Damit warfür Gerlinde ihr Schicksal endgültig besiegelt. Seit ihrer Zeit in der Parteizentrale kannte sie sich nur zu gut aus mit Tarnung und Verstellung.
    »Bingo, Chef!« Mühlbauer ließ sich in den Besucherstuhl in Erichs Büro plumpsen und wischte sich mit einer großen Serviette den Schweiß von der Stirn und aus dem Nacken. »Diese Schwüle … jetzt könnte es schön langsam wieder einmal … – Chef, wir haben ihn!« Alkoholisiert sei Weger bei einer Ampel einer Streife fast vor den Wagen gerannt, als er bei Rot noch die Fahrbahn queren wollte. »Manchmal ist der Zufall auch auf unserer Seite. Die Kollegen liefern ihn uns für die Befragung portofrei ins Haus.« Da er das zuerst abgelehnt habe, hätte man es ihm als Deal verkauft, sonst müsste Anzeige erstattet werden.
    Erich nickte mehrmals. »Das ist sehr gut!«
    Wenn sich nur endlich irgendetwas auf Ermittlerseite tat, in dem verfluchten Fall. Irgendetwas! Selbst die Vorstellung, eine falsche Spur zu verfolgen, schien ihm inzwischen schon erträglicher als diese erzwungene Untätigkeit, die letztlich nur dem Zuwarten auf den nächsten Fingerfund gleichkam. Obwohl er es verdrängen wollte, dachte er ständig daran: Man hielt erst beim dritten von zehn Fingern. Allein die Berichterstattung, die jeder weitere Finger nach sich ziehen, und der Druck, der dann auf den Ermittlern lasten würde! Drei … drei … waren es an dem Tag, als der dritte Finger gefunden wurde, nicht exakt noch drei Wochen bis zu diesem Wettbewerb? War das die Nachricht?
    »Geht es okay, Chef, wenn ich die restlichen Stunden Zeitausgleich nehme … es hat sich einiges angesammelt. Und diese Witterung behagt mir gar nicht … ich

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