Mordsonate
Bewilligungsbogen ausgefüllt hatte.Vielleicht war er doch mehr Bürokrat, als er dachte? Und weniger wegen Babsi der Welt der Rockmusik verloren gegangen? Auch wenn er niemals mit der Staatsanwältin tauschen hätte wollen, für die die Teilnahme an einer Verhandlung schon eine willkommene Abwechslung von ihrem permanenten Aktenstudium darstelle, wie die Frau den Chefinspektor wissen ließ.
Abschließend nickte sie auch Erichs Vorhaben ab, sich näher mit dem Vorstandsdirektor Hans Weger zu befassen. Immerhin sei er bislang, soweit er erkennen könne, der Einzige, der von dem Gewaltverbrechen profitierte – auch wenn ihm sein Bauchgefühl sage, dass das noch nicht entschlüsselte System der Fingerfunde wohl nicht der Denkweise eines Hans Weger entspreche; doch er kenne den Mann noch gar nicht persönlich.
Zurück in seinem Büro bereitete er sich auf die gegen Mittag zusammen mit Oberst Bermadinger zu absolvierende Pressekonferenz vor. Er saß noch fast eine halbe Stunde beim Leiter des Landeskriminalamts, der mit dem Chefinspektor die momentane Sachlage – von Ermittlungsstand konnte man noch kaum sprechen – Punkt für Punkt durchging. Erichs Idee, den Vorstandsdirektor Weger vorerst noch nicht zu erwähnen, schloss sich der LKA-Chef nach kurzem Nachdenken an.
Die Pressekonferenz brachte den Chefinspektor um sein Mittagessen und löste in ihm spürbare Unruhe aus, weil er wusste, dass nun, da der Öffentlichkeit die grausigen Details des Falles bekannt waren, der Druck täglich größer werden würde. Einige Journalistenfragen gaben ihm schon einen Vorgeschmack auf das, was noch zu erwarten wäre, wenn sich nicht bald Ermittlungserfolge einstellten. Dass ihn ein Berichterstatter in vorwurfsvollem Ton mit dem Nervenzusammenbruch von Frau Abergerkonfrontierte, von dem Erich noch nichts wusste, war das geringste Problem. Als viel dramatischer erwiesen sich die bislang noch völlig undurchschaubaren Tatumstände – wie exakt darauf angelegt, den Chefermittler schon an seinem ersten Fall als leitender Beamter scheitern zu lassen! Eine Blamage, der sein Rücktritt folgen würde, weil er selber so eine Pleite am allerwenigsten ertrüge? Dr. Labers erster Fall in Salzburg wäre also auch schon sein letzter?
Er durfte jetzt nicht in Panik geraten, auch wenn er sich sagte, wie mühelos zu klären all diese Eifersuchtsund Habgier-Morde doch waren – stets verübt von Tätern aus dem näheren Umfeld der Opfer. Aber hier? Mit dieser Inszenierung der hinterlegten Finger. Und es waren bislang erst drei von zehn aufgetaucht. Erich rechnete fest mit den noch ausständigen sieben Fingern des Kindes, und jedes Mal würde die Stadt in Aufruhr geraten. Unvorstellbar, wenn die Ermittler dann immer noch so hilflos im Dunkeln tappten wie jetzt. Denn zum Druck seitens der Medien käme gewiss bald der Druck aus der Politik – man würde Dr. Laber so gnadenlos als Niete vorführen, dass er um jeden Tag, den er früher abdankte, froh sein würde. Wieder weg aus Salzburg, fort von Vera – und ihrer gemeinsamen Zukunft in seiner schönen Wohnung.
Am frühen Nachmittag kehrten Mühlbauer, Koller und Harlander von ihren erfolglosen Befragungen zurück: Niemand wollte dieses Kuvert mit dem Kapuzenmann-Foto auf dem Gepäckträger eines Fahrrads gesehen, geschweige denn selbst dort hinterlegt haben. Die Räder standen in einem öffentlich zugänglichen Bereich – jederzeit konnte jemand von der Straße kommen und so einen Umschlag dort deponieren.
Wenn das Foto in einem Zusammenhang mit dem Verbrechen stand – in welchem nur? Und vor allem – wäre auch Vera selbst in Gefahr? Aber wenn ihr dieses Kapuzenmannsymbol so gar nichts sagte, worin lag dann der Sinn? Erich hatte sie kurz angerufen, sie war im Stress und konnte sich nicht vorstellen, was ihr mit diesem Foto mitgeteilt werden hätte sollen; sie blieb dabei, ein alberner Studentenjux. »Vielleicht ist es dem Betreffenden jetzt nur zu peinlich, das zuzugeben. Oder er will nicht in irgendwelche Untersuchungen hineingezogen werden.« Dennoch neigte Erich im Moment eher zu der Ansicht, dass das Foto doch Vera gegolten hatte. Um sie nicht unnötig zu beunruhigen, behielt er diese Einschätzung für sich.
Das Fehlen des Abteilungsinspektors Seidl begann sich bemerkbar zu machen: Den restlichen Nachmittag hindurch hatte Harlander vergeblich versucht, Hans Weger telefonisch zu erreichen. Mühlbauer hatte noch einmal erfolglos sämtliche Datenbanken durchforstet, ob nicht irgendein
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