Mordsonate
betroffen.
»Gerlinde? Bist du noch da, Gerlinde?«
»Ja.«
»Du … es ist … ist doch nur eine kleine Verschiebung … zeitlich … unser schönes Beisammensein, hast du das alles schon vergessen? Ist doch nichts dabei, wenn du … es hätte doch genauso gut auch an diesem Tag sein können, oder?«
Gerlinde stimmte zögernd zu: »Ja …«
»Vergiss nicht, Gerlinde, du bist in einer schwierigen Lage. Du weißt, dass ich Informationen habe, zu deinem Wechsel in die ENAG. Und unsere Leute können auf alle Daten zugreifen, vergiss das nicht. Wir haben überall Verbündete.«
»Ja«, presste die Frau fast tonlos hervor, während die Hand zu beben anfing, die das Mobiltelefon an ihr Ohr drückte.
»Du hast verstanden, Gerlinde?«
»Ja, habe ich.«
»Gut. Vielleicht ist es eh nicht notwendig, aber … nur damit du vorbereitet bist.«
»Ja.«
Nun erging es Petra wie Hans, sie konnte nicht wieder einschlafen. Nach einiger Zeit stand sie auf, schlich bloßfüßig zu Anjas Tür und horchte daran. Es war alles still. Das Kind hatte zum Glück von der Auseinandersetzung nichts mitbekommen. Um ganz sicher zu gehen, öffnete die Frau leise die Tür und ließ etwas Licht aus dem Vorraum ins Kinderzimmer fallen. Anja lag friedlich schlafend in ihrem Bett.
Nachdem sie sich ein Glas Wasser aus der Küche geholt hatte, trat sie ans Schlafzimmerfenster und sah in das gerade einsetzende Gewitter hinaus. Bei so einem Wetter … da rennt er draußen herum, dachte sie. Sie konnte sich nicht mehr beherrschen und begann leise zu weinen. Was … um Gottes willen … was war eigentlich aus ihnen geworden?
Es fuhren kaum Autos, um diese Zeit. Doch da – nein!
»Nein!« sagte Petra Weger plötzlich so laut, dass sie darüber erschrak. »Nein!« Aber es war – ihr Kastenwagen, der weiße Ford Transit. Trotz des Gewitters hörte sie den lauten alten Dieselmotor bis herauf. Warum … um Himmels willen, wo man ihm doch gerade erst den Führerschein genommen hat, warum fährt er jetzt … was um Gottes willen … was war Hans da nur wieder eingefallen! Was … was würde er denn noch alles anrichten?
»Chef, der nächste Finger. Direkt vor Mozarts Geburtshaus.«
Halb vier Uhr früh. Es blitzte, donnerte und regnete in Strömen.
»Ich hole Sie ab, Chef«, sagte Harlander, den der Journaldienst irrtümlich vor Dr. Laber angerufen hatte. »Spurensicherung ist schon unterwegs. Bei dem Regen«, fügte er noch hinzu, »haben wir um die Zeit sicher keinen Menschenauflauf mehr in der Getreidegasse.«
»Aber auch keine Spuren«, murrte der Chefinspektor, der schon die nächsten Schlagzeilen vor Augen hatte, schlecht gelaunt.
Diese dämliche Weger-Drohung, dass Erichs Name auch auf der Liste stehe, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Da würde sich bald einer von Wegers Parteifreunden öffentlich zu Wort melden. Und Erich geriete dann auch noch von dieser Seite unter Druck … und irgendwelche windigen Politkasperln würden ihre Chance nützen und sich ins Rampenlicht drängen. Erich kannte das alles – aber da war er nie als Chefermittler selbst die Zielscheibe gewesen. Was für eine Scheiße, was für eine verfluchte Scheiße, dieser ganze Fall! Ein liebes kleines Klavierwunderkind ermordet und furchtbar verstümmelt … und dieser Stümper von Laber versagt auf allen Linien … so etwas zum Einstand in Salzburg! Was war er nur für ein Pechvogel! Erich fühlte sich so grauenhaft, dass er plötzlich aufkommen spürte, wovor er in all den Jahren auch in schwierigsten Situationen immer verschont geblieben war: Selbstmitleid.
Dabei hatte er doch mit diesem Fund gerechnet, dem weitere folgen würden. Hatte er mit seiner Befürchtung nur einen anderen Verlauf der Geschehnisse erzwingen, das Schreckliche bannen wollen? Warum, sagte er sichplötzlich, schmeiße ich den ganzen Krempel nicht einfach hin, lasse mich in den Innendienst versetzen und fliege mit Vera nach Griechenland? Auf Hochzeitsreise! Sollen sich andere um diesen Dreck da kümmern!
Er war gerade erst aus dem Bad gekommen und mit großem Widerwillen in Hemd, Socken und Hose geschlüpft, als Harlander sich bereits wieder übers Handy meldete, dass er mit dem Wagen vor dem Haus stehe. Erich verzichtete auf den ersehnten Kaffee und schaltete die Espressomaschine wieder aus, die gerade ihre Betriebstemperatur erreicht hatte.
3
Das nächtliche Gewitter hatte sich zwar verzogen, aber die Wolken schienen sich einfach nicht auflösen zu wollen, an diesem grauen Vormittag, an dem die
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