Mordsonate
musste.
4
In dieser Nacht hatte Erich von Vera geträumt, die er am Abend noch kurz im Mozarteum besucht hatte: So eng umschlungen, wie man in Wirklichkeit keinesfalls gehen konnte, waren sie leichtfüßig durch die Getreidegasse gebummelt (dass sie untertags so menschenleer war wie in der Gewitternacht, als der Latexfinger hinterlegt worden war, schien ihnen überhaupt nicht aufzufallen).
Als sie an Mozarts Geburtshaus vorbeigekommen waren, hatten sie sich unbeschwert lachend vorgenommen, das gerade erst gesäuberte Mozartdenkmal erneut zum Weinen zu bringen, weil die Entfernung der Lacktränen doch einer Entstellung gleichkomme. »Eigentlich«, hatte Erich übermütig gesagt, »müsste in so einem Fall das Denkmalamt einschreiten, um diesen Vandalenputzakt rückgängig zu machen. Wo er doch vor Lachen weint, was, Vera?«
Das abendliche Beisammensein mit der nach einem überlangen, anstrengenden Arbeitstag sehr erschöpften Frau – Erich hatte sich auch diesmal nicht zurückhalten können und der Mozartbüste in ihrem Dienstzimmer übers Haupt gestreichelt –, hatte mit einer langen und intensiven Umarmung geendet. Danach war Erich mit der Gewissheit in seine Wohnung heimgekehrt, dass es sich nicht mehr lohnen würde, seine Umzugskartons auszupacken, um die neue Bleibe allein nach seinen Vorstellungen einzurichten. Übermütig, wie er sich fühlte, hatte er des Nachts sogar noch überlegt, die Frau Professor Stelzmann bei ihrem nächsten Besuch in der Mohrstraße schon mit zwei Namen auf dem Schildchen neben der Klingel zu überraschen. Verfiele er nun, auf die fünfzig zugehend, wieder in die Albernheiten eines Hals über Kopf verliebten Teenagers? Momentan wusste er sich nichts Schöneres vorzustellen.
Vera war über Wegers Festnahme bestürzt gewesen. Anja mache sich angesichts der schrecklichen Umstände nämlich gar nicht schlecht. Aber wie sollte das Kind sich noch auf den Wettbewerb konzentrieren können, wenn ihr Vater im Verdacht stände, etwas mit dem Verbrechen an Birgit zu tun zu haben?
Erich hatte Vera damit zu beruhigen versucht, dass nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses dieser Verdacht wahrscheinlich bald ausgeräumt und Hans Weger wieder auf freiem Fuß sein werde. Auch er, versicherte er Vera, die sich dabei an ihn drängte, als würde sie Schutz suchen, sehe neben dem, was Anjas Vater bislang eindeutig belaste, vor allem die Tatausführung, die seiner Ansicht nach eher für Wegers Unschuld spräche. Aber entscheidend wären dann halt die Sachbeweise. Zum Glück verfügten sie heutzutage mit dieser hoch entwickelten Kriminaltechnologieüber ein Instrumentarium, das nicht nur Täter zu überführen helfe, sondern immer wieder auch unschuldig in Verdacht Geratenen zugute komme. Erich strich sich über sein frisch rasiertes Kinn und stellte vergnügt fest, dass es sich fast so glatt anfühlte wie Veras Mozartbüste.
Klarerweise hatte er damit gerechnet, weil alles andere unrealistisch gewesen wäre, dennoch traf es Dr. Erich Laber als Leiter der Ermittlungen mit voller Wucht: Nicht nur die Zeitung, auf die er abonniert war, nein, im Büro musste er feststellen, dass in allen hiesigen Blättern erste massive Vorwürfe gegen die Polizei auftauchten, die in dem abscheulichen Mordfall des Klavierwunderkindes einfach nicht vorankomme, weil sie offenbar in völlig falsche Richtungen ermittle, »sofern man den Beamten unterstellen will, dass sie überhaupt etwas tun«, wie in einem gehässigen Kommentar zu lesen war. Hans Wegers Festnahme hatte noch nicht Eingang in die Berichterstattung finden können – zum Glück, wie sich Erich sagte, da er von der baldigen Freilassung des Mannes ausging.
Jener Parteifreund Wegers aus Wien, der selber als Vorbestrafter im österreichischen Nationalrat saß, geiferte beinahe wortgleich wie sein Kollege von der Partei, von der sie sich abgespalten hatten, dass nur die Ausländerpolitik an solchen Verbrechen schuld sei. Und die Polizei sei längst von Linkslinken unterwandert und auf diesem Auge blind. »Da müssen bestimmt erst noch weitere Kinder dran glauben, die bestialisch umgebracht werden, denen man Hände und Füße abhackt, die Zunge herausschneidet und die Augen aussticht, bis vielleicht endlich einmal gegen kriminelle Asylanten vorgegangen wird.« Die Innenministerin wiederum meinte scheinbar nebulös, dass sich in diesem Fall leider zeige, was sie immer sage,dass es nämlich nicht gut sei, auch bei geänderten Kräfteverhältnissen nach einer
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