Mordspech (German Edition)
war nicht einsortiert, deshalb dachte ich, du hättest es für mich dahingelegt …«
Ich habe es nicht dahingelegt! »Lass mich raten: Der Mikrofilm war nicht zufällig auf Seite zweihundertzweiundzwanzig?«
»Doch. Eingeklebt in feines Pergamentpapier.« Sie hält den Film ins Licht. »Ich hab versucht, dich anzurufen, aber du gehst ja nie ran.«
»Ich war im Oderbruch. Da war kein Empfang.«
»Sandsäcke schleppen?«
»Ermitteln.« Ich sehe mir den Mikrofilm genauer an. Ist das die Kopie des Dossiers, von dem Susanne Baier erzählt hat? Wollte sich Siggi, nachdem die Originale aus Kawelkas Verlag verschwunden waren, deshalb mit dem Journalisten im ›Four Roses‹ treffen? Um ihm den Mikrofilm zu geben?
Sieht ganz danach aus. Und als Kawelka nicht kam, ging Siggi zu mir. An dem Tag, als ich die Kinder von den »Stoppelhopsern« abgeholt hatte.
»Deshalb stand er hier plötzlich vor der Haustür. Nachdem wir von McDonald’s zurückgekommen waren. Nicht um zu reden, sondern um diesen höchst heiklen Mikrofilm hier unauffällig zu deponieren.«
Monika sieht mich mit zerfurchter Stirn an. »Geht’s vielleicht auch weniger kryptisch?«
»Kann man da mit Lupe was erkennen?«
»Nicht viel.« Sie schüttelt den Kopf. »Dafür braucht man ein sehr gutes Mikroskop. Oder besser noch ein Gerät, das Mikrofilme auslesen kann. Im Verlag haben wir so was.«
»In der Dienststelle können wir das auch auslesen.« Ich spüre, wie mir ein kalter Schauer den Rücken hinunterläuft. Damit haben wir sie, denke ich. Mit diesem Mikrofilm können wir den ganzen Wahnsinn aufdecken. »Mensch, das ist ein ganz wichtiger Beweis!«
»Für was? Dieter, jetzt rede doch mal Tacheles!«
»Ja, schon gut.« Ich setze mich wieder. Und dann erzähle ich ihr von der unterirdischen Chemiewaffenanlage in Altgrieben.
»Altgrieben?«
»Ein Rüstungsbetrieb der Waffen- SS . Die haben da an chemischen Waffen herumexperimentiert. Später die Russen. Jedenfalls lagert da noch tonnenweise hochgiftiges Zeugs.«
»Und das ist jetzt vom Hochwasser bedroht.«
»Das wissen wir nicht«, entgegne ich.
»Aber ich habe bei meinem Einsatz im Oderbruch einen ABC -Trupp der Bundeswehr getroffen, der genau da hinwollte!« Sie ist begeistert, das sehe ich sofort. So guckt sie immer, wenn sie eine hochinteressante Story vermutet. »Die waren auf dem Weg nach Altgrieben. Das weiß ich genau.«
»Weil sie das Zeug ausfliegen«, erwidere ich. »In den Irak.«
»In den Irak?« Monikas wunderschöne Augen werden kugelrund. »Die Bundeswehr? Bist du sicher?«
»Die haben da eine alte Piste vor dem Ort. Da landen nachts heimlich russische Transporter. Das habe ich selber gesehen. An Bord der Maschine war unter anderem ein irakischer Offizier. Die übrigen zwei waren Russen.« Ich halte ihr die Zigarettenschachtel hin. »Willst du?«
»Ich will die Geschichte hören«, sagt sie gebannt. »Mach weiter!«
»Jetzt kommt die Bundeswehr.« Ich zünde mir genüsslich eine Zigarette an und genieße, wie Monika fast vor Spannung vergeht. »Deren ABC -Truppe lädt die hochgiftigen Chemikalien in Fässern an Bord der Maschine. Und bewacht wird diese gespenstische Nacht-und-Nebel-Aktion von einem privaten Sicherheitsdienst.«
»Stasi?« Monika haucht es fast ehrfürchtig.
»Genau. Und damit sind wir bei Siggi. Der mag das überhaupt nicht, wenn seine alten Genossen schmutzige Geschäfte machen. Das pervertiere die ganze schöne kommunistische Idee. Er will Schluss machen. Diskutiert sich mit seinen Genossen um Kopf und Kragen. Plötzlich ist er ein Verräter, verstehst du?«
Monika nickt langsam.
»Um seinen Kopf zu retten, verfasst er ein umfangreiches, von alten MfS-Akten unterfüttertes Dossier und offenbart sich einem Journalisten. Wenn die Geschichte erst mal öffentlich wird, kann ihm keiner mehr was. Das ist wahrscheinlich sein Kalkül. Dann gehen die nämlich alle in den Knast.«
»Warum ist er nicht zu mir gekommen?«, fragt sich Monika. »Ich bin auch Journalistin. Der hätte doch nur zu mir kommen müssen!«
»Wahrscheinlich wollte er dich nicht gefährden. Wer weiß, wer alles in dieser Geschichte mit drinhängt. Immerhin verschwand das Dossier auf mysteriöse Weise aus Kawelkas Verlag. Aber Siggi, ganz gelernter Stasiagent, hat vorgesorgt und eine Kopie von dem Dossier gemacht.« Ich zeige auf den Mikrofilm. »Erst nachdem Kawelka tot ist, ahnt Siggi, dass auch er in Gefahr ist. Also spielt er dir den Mikrofilm zu. Fein säuberlich in ein Buch
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