Mordspech (German Edition)
»Highland-Ponys sind auch Falben.«
Ich sehe sie fragend an. »Bist du in letzter Zeit mal auf einem Highland-Pony geritten?«
»Nein. Ich war leider überhaupt schon viel zu lange nicht mehr reiten.«
»Hört auf! Pferde sind totaler Quatsch!« Jürgen schüttelt den Kopf. »Nein, das kann nur ein Hund gewesen sein.« Er zeigt auf unser Sofa. »Da, zum Beispiel, hat er hingesabbert.«
Jetzt wird’s lustig. Es hat ein Hund auf unser Sofa gesabbert?
»Hier!« Jürgen Damaschke zeigt auf kaum wahrnehmbare Spuren an der Lehne unserer Couch. »Das sind eindeutig Speichelreste. Schnüffelspuren. Und die stammen zu neunzig Prozent Wahrscheinlichkeit von einem Hund.«
»Aber«, Monika sieht mich an, »hier war kein Hund.«
»Noch nie«, bekräftige ich. »Seitdem wir hier wohnen, nicht.« Und das sind immerhin schon sechs Jahre.
Jürgen Damaschke widerspricht, denn er ist sich sicher: In unserer Wohnung muss ein Hund gewesen sein. Er hat helles Fell und an der Couch geschnüffelt. »Und es ist noch nicht so lange her«, setzt er hinzu, »höchstens ein, zwei Tage.«
Tja. Wenn er das sagt … Spuren lügen nicht, ist seine Devise, und ich bin zu wenig Fachmann, um auf diesem Gebiet mitreden zu können. Aber es bleibt dennoch sehr rätselhaft. Denn warum sollte Tante Tilly hier mit einem Hund eingebrochen sein? Vielleicht, weil er abgerichtet war? Ein Spürhund für Mikrofilme? – Sehr seltsam, dieser Fall, und ziemlich unheimlich.
Es klingelt unten an der Tür. Ich gehe in den Flur, drücke die Sprechanlage: »Ja, hallo?«
»Enzo will dich sprechen«, höre ich die heisere Stimme eines seiner Gorillas. »Er wartet hier unten im Wagen auf dich.«
Na, das wird immer besser! Jetzt weiß die kalabrische Mafia schon, wo ich wohne.
»Ich komme runter.« Monika und Damaschke sehen mich fragend an. »Macht ihr hier weiter. Ich bin gleich wieder da.« Ich schnappe mir meine Jacke und verlasse die Wohnung.
42 ENZOS GEPANZERTER anthrazitfarbener Mercedes 450 SEL mit verlängertem Radstand und abgedunkelten Scheiben im Fond steht direkt vor meinem Haus auf der Akazienstraße. Ein älteres Modell der 116er-Baureihe aus dem Jahre 1978.
»Ich bin nur ein einfacher Gastwirt«, pflegt Enzo zu sagen, »ich kann mir nicht leisten ein neues Auto.«
Dafür aber hat der Wagen alles, was das Männerherz höherschlagen lässt.
Allein der gewaltige Acht-Zylinder-Motor von fast sieben Litern Hubraum ist eine Wucht. Fast lautlos grummelt er im Leerlauf vor sich hin, aber bei dreitausend Umdrehungen leistet die Maschine gut fünfhundertfünfzig Newtonmeter, um den schweren Wagen auf eine Spitzengeschwindigkeit von zweihundertfünfundzwanzig Stundenkilometern zu bringen.
Das reicht, denke ich neidvoll. Das reicht völlig aus.
Enzo lässt die verdunkelte Seitenscheibe herunter. »Steig ein, amico . Wir fahren ein Stück.«
Ich setze mich zu ihm auf die edlen Ledersitze im Fond, und der Gorilla hinterm Steuer gibt gemessen Gas.
»Man kann nie wissen, wo überall heimliche Ohren sind.« Enzo seufzt schwer. »Aber hier im Auto wir können sprechen.«
»Fein, Enzo.« Ich lehne mich zurück und genieße die Fahrt. »Was hast du für mich?«
»Nun«, er öffnet die Mittelkonsole zwischen uns und holt eine Flasche Ramazzotti und zwei Gläser heraus, »du weißt, ich bin nur ein armer pizzaiolo , ein Pizzabäcker. E molto stupido , sehr ungebildet und dumm.« Sogar Eiswürfel gibt es in diesem Wagen. »Ich verstehe nichts von Politik. È complicata e corrotta , sie ist kompliziert und korrupt. Nichts für anständige Leute, capite ?« Er reicht mir ein Glas und prostet mir zu.
»Ich verstehe, Enzo. Worauf willst du hinaus?«
»Hast du gelesen den Artikel?«
»Was für einen Artikel?«
»Nel giornale bosniaco«, antwortet er, »die bosnische Zeitung, die dir meine Jungs gebracht haben. Ins Büro.«
»Ich war noch nicht im Büro, Enzo. Hatte im Umland zu tun.«
»Ah, verstehe.« Enzo trinkt einen Schluck. »Viel Arbeit, was?«
»Ja«, ich trinke ebenfalls, »die Sache wächst mir allmählich über den Kopf.«
»Vielleicht ist es besser, du lässt davon die Finger.«
»Wieso?« Ich sehe ihn fragend an. »Was weißt du, Enzo?«
»In diese giornale «, sein Gesicht verzieht sich zu einer gequälten Leidensmiene, »steht etwas von eine Commander Black Arab.«
Klingt ja wie in einem amerikanischen B-Movie, denke ich. Fehlt nur noch Major Tom.
»Und dieser schwarze Araber ist un uomo pericoloso «, fährt Enzo düster
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