Mordspech (German Edition)
Verbindungen et cetera. Es sollte zur Grundlage der geplanten Veröffentlichung in der Morgenpost werden. Aber dieses Dossier verschwand plötzlich aus den Verlagsräumen. Es war einfach nicht mehr da.«
»Da muss jemand Wind davon bekommen haben.«
Susanne Baier nickt. »Es gibt aber eine Kopie des Dossiers. Auf einem Mikrofilm.«
»Wo ist dieser Mikrofilm jetzt?«
»Ich weiß nicht. Er wollte mich nicht gefährden.« Susanne Baier seufzt. »Aber er hat es dieser Tante Tilly erzählt.«
»Tante Tilly?« Wer soll das denn sein?
»So nannte er die Frau, die ihm am Schwielowsee in die Beine und in den Bauch geschossen hat. Tante Tilly. Keiner weiß ihren richtigen Namen. Sie ist ein Phantom.«
Immerhin bin ich diesem Phantom vorhin schon mal ganz real hinterhergerannt.
Und wo es einen Decknamen gibt, muss es auch einen Klarnamen geben. Tante Tilly. Das ist ein Ansatz.
Ein ziemlich guter Ansatz, finde ich und sehe Susanne Baier dankbar an.
»Sie haben mir sehr geholfen. Jetzt müssen wir diese Tante Tilly nur noch kriegen.«
41 AUSSER SPEZIELL AUTORISIERTEM Krankenhauspersonal kann diesmal niemand, aber auch wirklich niemand mehr zu Siggi vordringen.
Das hat mir Thomas Hain fest versprochen, und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln. Der Potsdamer Oberkommissar will mir unbedingt beweisen, dass er etwas von seinem Job versteht. Er wird sich keinen Fehler leisten, und ich kann beruhigt nach Hause fahren.
Dort erwartet mich zu meiner Überraschung Monika. Sie hockt an unserem kleinen Sekretär im Wohnzimmer und betrachtet sich etwas angestrengt durch eine Lupe.
»Du hier?« Ich lege meine Jacke ab und trete verwundert hinter sie. »Wo sind die Kinder?«
»An der Ostsee geblieben«, antwortet sie mir, ohne aufzusehen. »Melanie passt auf sie auf. Die ist ja alt genug und schafft das schon.«
Ich brauche erst mal ein Bier und gehe in die Küche. »Willst du auch eins?«
»Gern«, kommt es aus dem Wohnzimmer.
Ich köpfe zwei Biere und komme damit wieder zurück ins Wohnzimmer. »Prost!«
»Prost!« Endlich sieht sie auf und nimmt mir die Flasche ab. Wir stoßen an und trinken. »Und? Kommst du voran?«
»Geht so«, antworte ich. »Ist ein komplizierter Fall.« Ich setze mich aufs Sofa und versuche, so beiläufig wie möglich zu klingen. »Siggi wurde angeschossen. Ich komme gerade von ihm.«
»Was?!« Natürlich ist sie entsetzt. Mit riesengroßen Augen starrt sie mich an. »Wie geht’s ihm?«
»Nicht so gut«, sage ich wahrheitsgemäß. »Sie haben ihn in ein künstliches Koma versetzt.«
»Du lieber Gott!«
»Er wird schon durchkommen.« Ich zünde mir eine Zigarette an. »Unkraut vergeht nicht.«
»Wo ist er?« Sie erhebt sich und sieht aus, als wolle sie sofort zu ihm.
»Potsdam. Ernst-von-Bergmann-Klinikum.« Ich nehme ihre Hand und ziehe sie zu mir auf die Couch. »Setz dich! Du kannst da jetzt nicht hin. Siggi wird rund um die Uhr von Polizisten bewacht. Nur autorisierte Ärzte dürfen zu ihm. Er ist gefährdet. Jemand will ihn töten.«
»Ja, aber das wusstet ihr doch, seitdem sie ihm das Auto hier in die Luft gesprengt haben«, antwortet sie mir vorwurfsvoll. »Wieso habt ihr nicht früher auf ihn aufgepasst?«
Na klar, jetzt sind wir schuld. »Sind wir seine Eltern? Du kennst ihn doch!« Ich ärgere mich, weil sie so unrecht nicht hat. »Siggi ist stets und ständig auf verschlungenen Pfaden unterwegs. Wenn er mal offen sagen würde, was er so treibt, könnte man ihn eventuell schützen! Aber er spielt ja lieber den Supergeheimagenten. James Bond im Taschenformat.« Missmutig trinke ich mein Bier aus und hole ein neues.
»In was ist er denn wieder verwickelt?«
»In was wohl? Die alte Stasischeiße. Er hat alte Kameraden verärgert. Jetzt wollen sie ihn drankriegen.«
»Aber wer diese alten Kameraden sind, wisst ihr nicht.«
»Noch nicht, nein.« Ich stehe verblüfft vor dem Sekretär. »Was ist das?«
»Sieht aus wie ein Mikrofilm.« Monika erhebt sich vom Sofa und kommt heran. »Ich habe ihn zufällig in diesem Buch gefunden.« Sie zeigt es mir. »Die Liebenden von Saint Croix.«
Saint Croix 222. Die Notiz, die Siggi in seinen Kalender geschrieben hatte. Unter den Termin mit Kawelka im ›Four Roses‹. »Woher hast du das?«
»Es lag hier im Bücherregal«, antwortet Monika. »Ich kannte das Buch noch nicht. Deshalb habe ich es mitgenommen. Lesestoff für die Ostsee.«
»Es lag hier im Regal?«
»Ja.« Monika zeigt es mir. »Genau hier. Bei den Taschenbüchern. Es
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