Mordspech (German Edition)
geht Monika dazwischen, »da sind Daten des Verlags drauf, die haben mit ihrem Mikrofilm gar nichts zu tun.«
»Tja, dann werden Sie das Ihrem Boss irgendwie erklären müssen«, erwidert Paulsen ruhig und sieht zu, wie der Balken den Formatierungsfortschritt anzeigt. Anschließend nimmt er die Blätter, die die Lesemaschine ausgedruckt hat, offenbar Kopien der Unterlagen auf dem Mikrofilm, und zündet eines nach dem anderen mit seinem Feuerzeug an. Die brennenden Blätter lässt er in einen metallenen Papierkorb fallen, wo bald ein Feuer lodert.
»Passen Sie auf, dass nicht noch die Sprinkleranlage losgeht«, meint Monika, doch offenbar hat Paulsen genau das vor. Nachdem die Blätter im Papierkorb restlos verbrannt sind, hält er sein Feuerzeug unter einen der Sensoren, und schon gibt’s Alarm.
Eine Sirene heult, und der Kopierraum wird von feinem, alles durchdringenden Sprühregen unter Wasser gesetzt.
»Und jetzt raus hier!« Paulsen schiebt uns zurück in den Gang und treibt uns hoch ins Foyer.
Dort herrscht plötzlich helle Aufregung. Überall kommen Leute aus den Büros und den Gängen. Es ist also doch was los, morgens beim Tagesspiegel.
»Feueralarm? – Wo brennt’s denn?«
»Ich weiß nicht.« Der Portier sieht verwirrt auf seine Bildschirme, während die Sirene heult. »Im Keller, glaube ich …« Er greift zu seinem Telefon und tippt eine Nummer ein.
Wir laufen auf die Straße, über die Potsdamer rollt dichter Verkehr. Paulsen zieht sein Handy hervor, drückt die Wähltaste und wartet.
»Ich hab den Film. Kannst die Kinder laufen lassen.« Er steckt das Handy weg und holt stattdessen meines aus seinem Lederblouson. »Hier, bitte!«
»Danke.« Ich nehme das Mobiltelefon in Empfang.
Paulsen tritt an den Straßenrand, winkt sich ein Taxi heran und verschwindet damit im dichten Verkehr.
»Wer war das?« Monika schüttelt ihr von der Sprinkleranlage feucht gewordenes Haar.
»Ein Herr Paulsen«, antworte ich und wähle Melanies Nummer an. »Angeblich vom Bundeskriminalamt.«
»Wie sind die darauf gekommen«, fragt sich Monika, »woher wissen die, dass wir den Film haben? Woher wissen die, wo unsere Kinder sind?«
Ich weiß es nicht und halte mir das Handy ans Ohr. Gott sei Dank geht Melanie gleich ran. Sie ist zwar schlecht zu verstehen, aber sie ist dran.
»Ppa …? … wrte, ch gh glch aufs Baumhaus. Hörst du mich jetzt besser?«
»Ja, Spatz. Alles in Ordnung?«
»Immer noch, ja.« Melanie lacht. »Wieso?«
»Ach, nichts. Ist der Goerdeler noch da?«
»Der wer? Ach, du meinst deinen Kollegen? – Nee, der ist gerade eben weg. Er schien es plötzlich ziemlich eilig zu haben. Was war denn?«
»Nichts Wichtiges«, weiche ich aus. »Mama kommt heute Abend zu euch zurück. Willst du sie kurz sprechen?«
»Von mir aus.«
Ich gebe das Handy weiter. Monika erkundigt sich besorgt nach dem Befinden der Kinder, und ich spüre, wie mir endgültig die Beine wegsacken.
Ich hocke mich auf den Rinnstein und war selten so erleichtert wie jetzt. Den Kindern ist nichts passiert. Sie haben noch nicht mal gemerkt, dass sie in Gefahr waren. Noch mal gut gegangen, denke ich und stütze meine Hände ins Gesicht. Das ist gerade noch mal gut gegangen …
Und dann sehe ich, dass meine Hände ganz nass sind. Tränen! Alles voller Tränen. Ich weine. Es geht nicht anders. Die Anspannung muss raus, Erleichterung und Wut zugleich. Ich heule bittere Tränen und genieße es. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so geweint habe.
Monika hockt sich erschrocken neben mich und legt mir tröstend den Arm um die Schultern. Aber es ist alles gut. Wirklich.
Wahrscheinlich muss das manchmal sein. Dann muss man weinen, um sich besser zu fühlen.
46 ICH ÜBERLASSE Monika den Wagen. Dann kann sie schneller zur Ostsee fahren. Das ist das Wichtigste jetzt. Dass jemand bei den Kindern ist.
Ich winke ihr nach und gehe zu Fuß in die Keithstraße zurück. Etwas wackelig, das gebe ich zu. Meine Knie schlackern noch. Am Café Einstein in der Kurfürstenstraße mache ich halt, setze mich in den schattigen Biergarten und trinke erst mal zwei schöne kühle Pilsener. Ah, das tut gut. Die Vögel zwitschern in den hohen Bäumen, ich rauche eine Zigarette und dann noch eine. Und als ich mir ein drittes Bier bestellen will, piept mein Handy.
Hünerbein ist dran. »Wo bist du denn plötzlich hin?«, will er wissen, wartet aber keine Antwort ab. »Du, die haben den Hund gefunden.«
»Den Hund?« Etwa den Hund mit der
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