Mordspech (German Edition)
solche Helden gibt es nur Filmen. Im wahren Leben packen sie alle aus. Und wenn man Ihnen erst mal die Daumenschrauben angelegt hat, ist Ihnen auch Ihre Schweigepflicht egal und das, was wir hier heute untereinander abgemacht haben. Das hat dann alles keinen Wert mehr. Die Leute wollen ihren Arsch retten. Immer! Und sie haben Angst vor Schmerzen. Panische Angst.« Er setzte sich wieder und schüttelte den Kopf. »Nicht, dass Sie jetzt denken, ich wurde schon mal gefoltert. Das ist es nicht. Ich habe selbst auch noch niemanden gefoltert und kenne auch keinen, der schon mal gefoltert wurde. Es ist allein …« Er tippte sich gegen den Kopf. »… mein Instinkt, der mir sagt, dass Folter alles auflöst. Jedes Versprechen. Die Menschen verraten ja einander schon, ohne dass ihnen jemand droht. Einfach so. Aus Daffke, oder etwa nicht? Wegen eines klitzekleinen Vorteils vergessen sie ihren Anstand und ihre Ehre … – Warum sagen Sie denn nichts?«
»Ich höre Ihnen zu.«
»Und Sie machen sich Notizen. Dabei hatten wir doch gerade vereinbart«, Meyer begann, sich aufzuregen, »dass das hier zwischen uns bleibt!«
»Ich mache diese Notizen doch nur für mich«, verteidigte sich die Psychologin. »Damit ich unser Gespräch später rekapitulieren, damit ich Ihnen helfen kann.«
»Trotzdem!« Meyer nahm ihr das Notizbuch aus der Hand. »Ich muss darauf bestehen. Nichts Schriftliches, klar?« Er riss eine Seite aus dem Notizbuch, zückte sein Feuerzeug und setzte das Papier in Brand. »Haben Sie keinen Aschenbecher?«
»Nein.« Die Psychologin schüttelte den Kopf. »Wir rauchen hier nicht.«
»Ich will auch gar nicht rauchen.« Meyer sah sich um. »Ich will das hier nur irgendwo – au!« Er schrie auf, ließ den brennenden Zettel auf den Boden fallen und trat hektisch darauf herum. »Sehen Sie? Sehen Sie! Jetzt ist ein Brandloch in Ihrem Teppich. Mist!«
»Halb so wild«, beruhigte ihn die Psychologin.
»Ich wollte nur das brennende Papier ablegen. Aber wohin, wenn Sie keinen Aschenbecher haben?«
»Ich sagte doch, es ist nicht schlimm.«
»Ich habe mir die Finger verbrannt.« Meyer besah sich seine Hand. »Sie sollten sich einen Ascher anschaffen. Oder eine Blechdose, eine ganz simple, alte Blechdose. Die würde für solche Fälle reichen.« Er setzte sich wieder und holte tief Luft. »Ich wiederhole es noch mal, damit das ein für alle Mal geklärt ist: Keine Aufzeichnungen von unseren Gesprächen! Haben wir uns verstanden?«
»Aber natürlich. Wenn Sie das möchten.«
»Das möchte ich nicht nur, das ist eine zwingende Grundlage für unsere Zusammenarbeit.« Meyer sah seine Psychologin eindringlich an. »Sonst werde ich die Konsultationen unverzüglich abbrechen müssen. Kein Wort nach draußen! Keine Aufzeichnungen! Nichts Schriftliches! Ist das klar?«
»Ganz klar.«
»Gut.« Meyer seufzte und rutschte auf seinem Sessel herum. »Jetzt können wir die Lehne, glaube ich, doch ein bisschen zurückstellen.«
»Beim nächsten Mal.« Dipl.-Psych. Susanne Baier erhob sich und strich ihren Rock glatt. »Für heute ist unsere Gesprächszeit um.«
»Was? Schon?«
»Sie hatten nur fünfzehn Minuten vereinbart. Wegen der Kosten.«
»Aber …« Meyer guckte verblüfft. »Wir haben doch noch gar nicht richtig angefangen.«
»Oh doch, Herr Meyer, das haben wir. Ich fand es sogar sehr gut.«
»Fanden Sie?«
»Aber ja.« Sie drückte ihm die Hand und führte ihn zur Tür. »Das war ein sehr guter Anfang und eine echte Basis für weitere Gespräche. Die Kollegin draußen macht Ihnen einen Termin.« Sie lächelte ihn an. »Und überlegen Sie es sich! Vielleicht ist eine halbe Stunde doch nicht zu teuer für Sie. Oder eine Stunde. Dann dauert Ihre Therapie auch nicht so lang. – Wiederschaun.«
»Wiederschaun«, echote Meyer und verließ den Raum.
Die Psychologin schloss die Tür hinter ihm, lief eilig zu ihrem Schreibtisch und begann, sich erneut Notizen zu machen.
Interessanter Fall, dieser Meyer. Ein sehr interessanter Fall.
6 NUR NICHT DIE NERVEN VERLIEREN . Ich sitze im Schockraum der Notaufnahme, bereit, mich auf jeden Angreifer zu stürzen, der das Leben meiner Tochter bedroht. Personenschutz war nicht zu bekommen, dafür ist die Faktenlage zu dünn. Wir stützen uns auf reine Mutmaßungen. Ich hätte das Leben meiner Tochter auch nie irgendwelchen gelangweilten Polizeibeamten anvertraut. Da kümmere ich mich lieber selbst.
Soll er nur kommen, der Killer. Er wird keine Chance haben, obwohl
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