Mordspech (German Edition)
das ist absurd.«
»Ist es das?« Ich fange an, mich aufzuregen. »Bist du dir da ganz sicher? Ich bin es nicht. Aber ich weiß, diese Stadt ist voll von Verrückten. Ich bin immerhin seit fünfzehn Jahren bei der Mordkommission.«
»Vielleicht war das zu viel.«
Mag sein. Vielleicht bin ich ja hier der Verrückte. Vielleicht aber auch nicht, und dann gehe ich lieber auf Nummer sicher.
»Monika, es kann doch sein, dass Melanie irgendwem furchtbar auf die Füße getreten ist. Ohne es zu wissen. Ein enttäuschter Liebhaber, ein durchgeknallter Stalker, ich meine, wer weiß, mit wem sie so Kontakt hat?«
»Bestimmt nicht mit Scharfschützen.«
»Kannst du das ausschließen? Zu hundert Prozent? – Nee! Kannste nicht.«
»Streitet ihr euch?«
Na großartig! Da haben wir den Salat. Jetzt ist Melanie wach geworden. Schlaftrunken richtet sie sich etwas auf und blinzelt uns an.
»Geht’s euch gut?«
»Ja, Kind, uns geht’s gut. Wir machen uns mehr Sorgen um dich.« Monika nimmt Melanie in den Arm und küsst sie. »Dein Vater sieht gerade Gespenster, aber sonst ist bei uns alles in Ordnung.«
Von wegen, denke ich. Aber da muss man durch, als Papa ist man im Zweifel immer der Trottel.
»Und du?« Monika sieht ihre Tochter prüfend an. »Was ist mit dir?«
»Leichte Kopfschmerzen«, murmelt Melanie und fällt wieder etwas zurück. »Hat Papa schon erzählt, was passiert ist?«
»Ja, hab ich«, beeile ich mich, »aber das vergisst du jetzt mal, damit wir dich morgen wieder mit nach Hause nehmen können, okay?«
»So was vergisst man nicht, Papa.«
»Versuch’s wenigstens.« Ich setze mich auch auf die Bettkante. »Und dann fahrt ihr beide mal ein bisschen aufs Land.«
»Und meine Kurse? Wir haben an der Uni gerade total wichtige Kurse zur Vorbereitung auf …«
»Das lässt sich alles nachholen«, unterbreche ich sie und habe schon wieder Tür und Fenster im Auge. »Erst mal musst du raus hier. So schnell wie möglich.« Nervös tätschele ich ihren Arm. »Sag mal, Melanie … Hast du in letzter Zeit irgendwelchen Ärger gehabt?«
»Ärger?«
»Na ja. War irgendwas? In der Uni? Mit deinen Freunden? Manchmal streitet man sich ja oder verärgert jemanden …«
»Dieter«, mahnt Monika, aber ich muss das jetzt wissen.
»… man will nichts Böses, und plötzlich ist jemand wütend. Total sauer. Ohne dass man es gewollt hat, verstehst du?«
Melanie schaut mich ratlos an.
»Hast du Feinde? Oder hält dich jemand für seinen Feind? Bist du jemandem, aus Versehen oder bewusst, in die Quere gekommen oder so?«
»Dieter!« Monika stupst mich an. »Es ist sechzehn Uhr. Die Kinder müssen abgeholt werden.«
»Was?« Spinnt die? Ich kann doch jetzt nicht einfach gehen! Unmöglich. Was, wenn der Mörder auftaucht? »Warum holst du nicht die Kinder ab?«
»Weil du heute dran bist«, erwidert Monika und zieht mich vom Bett, »und die Kinder bestimmt auf dich warten. Um Melanie kümmere ich mich schon.«
Ich schüttele heftig den Kopf, habe aber keine Chance. Wie auch? Ich kann das Thema Killer nicht vor den wachen Augen meiner traumatisierten Tochter thematisieren, und das weiß Monika ganz genau. Ein Vorteil, den sie sich ungeniert zunutze macht. Wenn ich mich weigere, die Zwillinge abzuholen, wird Melanie Fragen stellen. Fragen, die es zu vermeiden gilt, um den Genesungsprozess nicht zu gefährden. Noch schlimmer aber wäre es, wenn ich Melanie erkläre, was los ist, und sie mit meinem furchtbaren Verdacht konfrontiere. Das würde ihren Schock nur verschlimmern. Kurz: Ich kann nur gute Miene zum gefährlichen Spiel machen und muss mich fügen. Hilflos sehe ich Monika an.
»Hier kann nichts passieren«, verspricht sie mir. »Ich bin eine Löwin.«
Stimmt. Wer einmal gesehen hat, wie eine Löwin ihre Jungen verteidigt, braucht sich um Melanie keine Sorgen zu machen. Hoffe ich wenigstens, denn Monika ist eine Löwin hoch zehn. Ich muss es wissen, ich lebe ja mit ihr zusammen.
»Ludger könnte sauer sein«, erklärt Melanie nachdenklich vom Bett her, »er wollte gestern mit mir ins Kino, aber ich hab ihm einen Korb gegeben.«
»Ludger!« Ein wichtiger Hinweis. Ich ziehe mein Notizbuch hervor. »Und wie weiter?«
»Dieter!« Monikas Stimme wird ungemütlich. »Raus jetzt!«
»Achte auf die Fenster«, schärfe ich ihr ein, »lass die Jalousien zu und verriegele die Tür hinter mir. Ärzte und Schwestern melden sich so.« Ich klopfe es an die Wand. »Sonst kommt hier keiner rein, klar?« Ich schiebe ganz
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