Mordspech (German Edition)
der sie mir fast jede Woche einen neuen Freund vorstellte, in den sie »unsterblich verliebt« war. Bis der nächste kam.
Inzwischen ist sie dreiundzwanzig und ein überzeugter Single. Erst das Studium, dann die Liebe, ist Melanies neue Devise. Mal sehen, wie lange. Tierärztin will sie werden, sie studiert Veterinärmedizin an der Freien Universität. Kein einfacher Fachbereich, sie büffelt manchmal nächtelang durch und ist sehr ehrgeizig. Als ich zu Monika gezogen bin, weil sich neuer Nachwuchs ankündigte und ich diesmal meinen Vaterpflichten von Anfang an nachkommen wollte, habe ich Melanie meine alte Wohnung überlassen. Die Miete zahle ich weiter. Noch. Wenn Melanie einmal endlich selbst Geld verdient, das hat sie mir versprochen, bekomme ich alles »mit Zins und Zinseszins zurück«. Insofern eine Investition in die Zukunft. Aber sind Kinder das nicht immer?
Ein Geräusch lässt mich aufhorchen.
Ist da jemand an der Tür? Ich schiebe mich langsam an der Wand hoch, die Dienstpistole in beiden Händen, und starre auf die Türklinke. Mit den Schwestern und Ärzten hatte ich ein bestimmtes Klopfgeräusch vereinbart, bevor sie die Tür öffnen. Doch jetzt klopft niemand. Und trotzdem öffnet sich langsam die Tür …
Okay, Freundchen! Blitzschnell reiße ich die Tür ganz auf und kicke dem Eindringling die Beine weg. Er fällt mit einem kurzen Aufschrei auf den Bauch und will wieder hoch, doch ich bin schon über ihm, drücke ihm brutal den Fuß ins Genick und halte ihm die entsicherte Heckler & Koch an den Hinterkopf.
Dann erst bemerke ich, dass es Monika ist.
»Um Gottes willen!« Hastig sichere ich die Waffe und stecke sie wieder weg. Dann helfe ich Monika behutsam zurück auf die Beine.
»T-tut mir leid, aber ich dachte …« Nein, besser nichts erzählen, sonst sorgt sie sich. »Ich … ich dachte … ich wollte …«
Monika starrt mich mit schreckgeweiteten Augen an. Hoffentlich hat sie sich nichts getan. Wir sind bei der Polizei nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht, einen mutmaßlichen Gangster zu Fall zu bringen. So manchem wurde dabei schon mal die eine oder andere Rippe gebrochen.
»Alles in Ordnung, Monika?«
»Wie«, sie reibt sich den schmerzenden Nacken, »wie geht es Melanie?«
»Sie schläft …« Ich nehme Monika tröstend in den Arm. »Tut mir leid, wirklich, aber ich konnte doch nicht ahnen, dass du es bist …«
»Wen hast du erwartet?« Sie macht sich, noch immer leicht zittrig, los. »Einen Killer?«
Wenn sie wüsste, wie recht sie damit hat.
»Wozu die Waffe?« Ihre Stimme wird schärfer. »Was ist hier los?«
Was soll ich antworten? Ich kenne Monika, die lässt jetzt nicht mehr locker. Und ganz offensichtlich findet sie gerade zu alter Form zurück.
»Dieter«, herrscht sie mich an, »du haust nicht einfach so versehentlich Leute um und hältst ihnen eine Pistole an den Kopf, das ist doch nicht normal! Also sag’s mir: Was ist hier los? Wozu die Waffe? – Verdammt noch mal: Wen! Hast! Du! Erwartet?!«
»Einen Killer«, gebe ich zu.
»Du spinnst!« Monika wedelt sich vor dem Gesicht herum. »Völlig!« Offenkundig erinnert sie sich an unsere schlafende Tochter, denn sie fängt an zu flüstern. »Du musst völlig übergeschnappt sein.« Kopfschüttelnd hockt sie sich auf die Bettkante und streicht Melanie behutsam das Haar aus der Stirn. »Wie lange schläft sie schon?«
»Seit heute Morgen. Sie haben ihr ein Beruhigungsmittel gegeben.«
»Und das?« Sie meint den Tropf, an dem Melanie hängt. »Wozu ist das?«
»Damit«, antworte ich wahrheitsgemäß, »stabilisieren sie den Kreislauf. Das ist alles nicht so schlimm. Sie darf morgen schon wieder nach Hause.«
»Und so lange bewachst du sie?«
Ich nicke bekümmert.
»Wer sollte denn hinter ihr her sein?«
»Herrgott, ich weiß es nicht!« Hilflos hebe ich die Arme. »Keine Ahnung! Ein Fahrradkurier wurde erschossen. Direkt in der Belziger Straße. Von einem Scharfschützen, der – was weiß ich – irgendwo in den Häusern gegenüber gehockt haben muss.«
»Schlimm«, findet das Monika, »aber was hat Melanie damit zu tun?«
»Es könnte sein, dass der Fahrradkurier nur zufällig in die Schusslinie geradelt ist. Und der Scharfschütze eigentlich jemand anders töten wollte.«
»Melanie?« Monika lacht auf und tippt sich gegen die Stirn. »Irre! Und wieso gerade Melanie?«
»Woher soll ich das wissen? Sie kam aus dem Haus. Wie jeden Morgen. Vielleicht hat er ihr aufgelauert.«
»Dieter,
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