Mordspech (German Edition)
Vorstandsvorsitzender. Wie jeder Verein muss auch ein Elterninitiativkinderladen einen Vorstand haben, der über die Satzung und über die Finanzen wacht. Hugo ist Richter am Amtsgericht Schöneberg und somit für den Vorsitz geradezu prädestiniert. Maren ist auch im Vorstand. Sie überwacht das pädagogische Konzept. Pazifistisch muss es sein, frei von Ressentiments Andersartigen gegenüber, und, was das Mittagessen angeht, bio- und ökologisch einwandfrei. Nur der Jahreszeit angemessene Zutaten aus der Region. Eigens zu diesem Zweck wurde ein Vertrag mit einem kleinen Biobauernhof im Brandenburgischen geschlossen, der unsere »Stoppelhopser« mit frischen Waren beliefert. Lediglich das Fleisch kommt von Demeter, zum Ärger einiger Tierfreunde im Verein, die die Kost am liebsten auf Vegetarisch umstellen würden, sich aber bislang nicht durchsetzen konnten. Doch heiße Elternabende sind bei diesem Thema unausweichlich.
»Wenn Karl kündigt, müssen wir uns beizeiten nach einem geeigneten Ersatz umschauen.«
»Ich will aber nicht, dass Karl kündigt!« Auf Marens Stirn zieht eine veritable Gewitterfront auf. »Er ist eine Bereicherung für unsere Kinder. Ein idealer Gegenpol zu Uta. Er gleicht ihr schroffes Wesen wunderbar mit seiner Sanftheit aus, findest du nicht?«
»Aber wenn er doch zu sanft für Uta ist? So wie sich das für mich anhört, will er nicht mehr mit ihr.«
»Ja, so hört sich das an.« Maren atmet tief durch. »Ich werd noch mal mit ihm reden.«
»Du willst ihn umstimmen?«
»Unbedingt!« Maren nickt mir zu und stapft weiter Richtung Kinderladen.
Und meine Kinder? Wo sind die jetzt hin verschwunden?
»Liam! Zoé!«, brülle ich entsetzt, als ich sie gut fünfzehn Meter über dem Erdboden in einer der hohen Kastanien entdecke. Du lieber Gott, wie sind die bloß da raufgekommen?
»Papa, guck mal! Huhu!«
»Vorsicht! Nicht zappeln! Und ganz langsam runterkommen!«
Aber die Kinder denken nicht dran. Da gibt’s ja noch Äste über ihnen, die noch erklommen werden müssen, ob Papa dabei nun einen Herzinfarkt bekommt oder nicht.
Es wird sechs Uhr, als wir zu Hause ankommen. Zu spät für ein ordentliches Abendbrot, aber die Kinder haben Hunger und wollen zu McDonald’s. Ich lasse mich breitschlagen und spendiere als Ausgleich zur biologischen Vollwertkost im Kinderladen jedem einen Cheeseburger mit extra viel Käse, Coke und Pommes.
»Mhm, lecker! Mama geht nie mit uns zu McDonald’s.«
Tja, Papa ist eben doch der Größte. Zumal es zu jeder Juniortüte, in Amerika nennen sie das Happy Meal, auch noch den üblichen Merchandising-Schnickschnack gibt, den Kinder so lieben. Mit einer bunten Plastik-Leeloo für Zoé und einem aufziehbaren Batman für Liam wird ein ganz normaler Dienstagabend fast wie Weihnachten.
Und halb sieben schließe ich endlich die Haustür auf. Ich will die Kinder gerade hineinlassen, als mir jemand die Hand auf die Schulter legt.
»’n Abend, Dieter!«
Erschrocken fahre ich herum. »Siggi!«
Es ist so eine Eigenart von ihm als altem Stasimann, stets irgendwo aus dem Nichts plötzlich aufzutauchen. Wahrscheinlich kann er das einfach nicht ablegen, denn er lächelt mich unschuldig an.
»Wollte dich nicht erschrecken, Dieter. Kann ich kurz mit raufkommen?«
Eigentlich nicht. Normalerweise würde ich ihn wegschicken, denn mit Siggi verbindet mich eine herzliche Abneigung, die nur zum Teil darauf beruht, dass er Monikas Exmann ist. Heute aber bin ich froh, dass er da ist.
»Nur, wenn du die Kinder hütest«, sage ich ihm, »ich muss noch mal weg.«
»Abgemacht!« Siggi strahlt. »Aber erst reden wir, in Ordnung?« Er wartet keine Antwort ab, sondern drückt eine Funkfernbedienung, die einen flotten, am Straßenrand geparkten offenen Zweisitzer kurz piepsen lässt und mit aufleuchtenden Blinklichtern verriegelt.
»Oha«, staune ich. »Neuer Wagen?«
»Ein BMW Z3 «, nickt Siggi stolz, »das ist derselbe Roadster, den auch James Bond in seinem letzten Film fährt. – Ich weiß, du kannst dir so was nicht leisten. Aber als alter Geheimagent muss man so was einfach haben. Nun guck nicht so neidisch.« Er klopft mir gönnerhaft auf die Schulter und stiefelt an mir vorbei durch den Flur und die Treppen zur Wohnung hoch.
Dabei bin ich gar nicht neidisch. Höchstens ein bisschen. Aber so ist Siggi: leicht überheblich und immer eine Spur zu arrogant. Der Mann hat’s einfach drauf, der wird es uns noch allen zeigen.
Vielleicht war es doch keine gute Idee, ihn mit
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