Mordspech (German Edition)
macht die Autos immer kaputt.« Siggi wirft mir trotzdem lässig seine Autoschlüssel zu. »Du lässt meins unversehrt, klar?«
»Aber sicher doch.« Ich grinse ihm zu. Manchmal kann Siggi doch ganz nett sein. Es sind seltene Momente, aber immerhin. »Vielen Dank!«
Freude am Fahren. Dieser Werbeslogan trifft es voll und ganz. Siggis kleiner Bond-Roadster liegt wie ein Brett auf der Straße. Mit dem Hintern ganz dicht am Asphalt, ein satt röhrendes Triebwerk unter der langen Haube und eine so direkte Beschleunigung, dass man sich fühlt wie weiland Brauchitsch auf der AVUS . Das ist Purismus, Autofahren pur. Es geht die Akazienstraße hoch zur Hauptstraße, denn die ist zweispurig, da kann ich ordentlich Gas geben, wenn die Ampeln auf Grün schalten.
Aus dem Autoradio dudelt »Lovefool« von den Cardigans: »Love me, love me! – Say that you love me! – Fool me, fool me! Go on and fool me … – I can’t care ’bout anything but you.«
An der Dominicus rechts, die Reifen sirren, Salzburger links, und schon bin ich da. Wartburgstraße 19, ein offenbar erst kürzlich saniertes und um die Jahrhundertwende errichtetes repräsentatives Eckhaus mit einem Restaurant im Parterre. Wahrscheinlich denkmalgeschützt. Ich habe genau drei Minuten und sechsunddreißig Sekunden gebraucht und einen entsprechenden Herzschlag. Siggis Karre macht Spaß. Ich verstehe überhaupt nicht, warum er einen Psychologen braucht, wenn er so einen Wagen fährt. Da verfliegt doch jede Depression im Nu.
»Was’n das fürn Frauenauto?« Hünerbein schüttelt missbilligend den Kopf. »Hat er auch ’ne Blondinen-Einparkhilfe?«
»Das ist ein Roadster«, erkläre ich ihm. »James Bond fuhr den in seinem letzten Film.«
Hünerbein winkt ab. »Keine zwei Minuten lang, ich hab den Film auch gesehen. Meistens fuhr er wie immer seinen Aston Martin. Und unter einem echten Roadster stelle ich mir einen MGA vor oder einen Morgan.« Abfällig blickt er auf den BMW . »Nicht so ein auf Retro gestyltes Beautycase.« Er zieht mich am Arm mit sich fort. »So, und jetzt will ich dir mal was zeigen.«
Wir öffnen die kunstvoll verzierte Tür zur Hausnummer 19 und steigen die Treppen hoch. Sie sind mit grauem Papp- und Zeitungspapier bedeckt, offenbar wird noch renoviert. Farb- und Mörtelspuren deuten darauf hin.
»Der Eigentümer wollte das Dach ausbauen lassen«, sagt Hünerbein. »Aber dann gab es wohl Probleme mit der Baugenehmigung, und ihm ist das Geld ausgegangen. Seitdem ruhen die Arbeiten.« Er stößt eine alte Stahltür auf und lässt mich eintreten.
Baustellenatmosphäre: An der Wand sind Rigipsplatten gestapelt, teilweise wurden die alten Holzverstrebungen entfernt und durch Stahlträger ersetzt. Ein paar Plastikeimer mit vertrockneter Farbe stehen herum, auf Böcken ruhen Dielenbretter, der Boden ist mit Sägespänen bedeckt.
»Kann hier jeder rein?«
Hünerbein nickt. »Ich habe mit dem Hauswart gesprochen. Für hier oben gibt es schon lange keinen Schlüssel mehr.«
»Aber die Haustür unten ist normalerweise zu?«
»Ja, aber du weißt ja, wie das ist. Da klingelt man halt überall mal durch. Irgendwer macht immer auf.« Er stößt ein Dachfenster auf. »Hier muss sich der Killer postiert haben. Aber Vorsicht, die Spusi hat überall ihr schwarzes Pulver verteilt.«
Das sehe ich. Damit nehmen sie Fingerabdrücke ab. »Haben sie was gefunden?«
Hünerbein schüttelt den Kopf. »Die analysieren noch. Aber ich denke, Profis hinterlassen keine Spuren.« Er reicht mir ein Fernglas. »Sieh mal da durch!«
Tatsächlich hat man von hier oben freie Sicht die gesamte Salzburger Straße hinunter und über den John-F.-Kennedy-Platz. Allerdings strömt viel Verkehr über die Kreuzung. Immer wieder versperren Doppeldeckerbusse und Lastwagen den Blick durchs Fernglas auf die Belziger Straße. Dabei ist es schon nach halb acht Uhr am Abend. Nicht auszudenken, was hier morgens während der Rushhour los ist. Und an der Ecke zur Martin-Luther-Straße stehen drei Bäume, die die Eingangstür zur Belziger 75 komplett verdecken. Das lässt nur einen Schluss zu. Ich setze das Fernglas wieder ab.
»Er kann nicht jemandem aufgelauert haben, der aus dem Haus kommt.«
»Wegen der Bäume«, nickt Hünerbein, »so weit war ich auch schon. Der Radfahrer kam von links und muss, nachdem er getroffen wurde, noch zwei, drei Meter weitergefahren sein, bevor er von hier aus gesehen hinter den Bäumen vom Rad und Melanie in die Arme fiel. Das ist die
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