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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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Einstellungen zu fördern. Doch kann man die Kinder einfach in fremde Hände geben? In die Obhut irgendwelcher Osterzieherinnen, die womöglich propagandistisch geschult sind und aus unserem Nachwuchs kleine Kommunisten machen?
    Man kann sie sich vorstellen, die nächtelangen Debatten der Kinderladeneltern im Berliner Westen. Da prallen Ideologien aufeinander, da gibt’s Heulen und Zähneklappern, da werden bei viel Rotwein alle Eventualitäten zigmal durchdiskutiert.
    Als Monika und ich Mitglieder im Elterninitiativkinderladen »Stoppelhopser« e.   V. wurden, um ganztägige Betreuung für unsere Zwillinge zu bekommen, waren diese Schlachten Gott sei Dank längst geschlagen. Über die Kinder herrscht Uta, eine resolute Enddreißigerin aus Marzahn. Diskussionen mit den Eltern über Erziehungsfragen verbittet sie sich mit dem knappen Hinweis, »dass Sie Piloten ja auch nicht erklären, wie sie ihren Flieger zu steuern haben«. Jedem seine Profession und Ende der Debatte!
    Manche Mütter leiden unter Utas kompromisslosem Regime. Mehr jedenfalls als die Kinder, die ihre sportlich taffe Erzieherin mit dem losen Mundwerk mehrheitlich lieben. Und ihr pädagogischer Ansatz scheint so falsch nicht zu sein. Wir stellen bei Liam und Zoé jedenfalls bald Erstaunliches fest. Mit Freude tragen sie ihre stets leergegessenen Teller zur Geschirrspülmaschine, sie trinken plötzlich begeistert Tee statt immer nur Apfelsaft und putzen sich mit erstaunlicher Gründlichkeit jeden ihrer allmählich wackeliger werdenden Milchzähne. Sie rennen nicht mehr blindlings über die Straße, sondern halten inne, schauen erst nach links und dann nach rechts, um sich zu vergewissern, dass kein Auto kommt. Alles Dinge, die wir ihnen zuvor vergebens versucht hatten beizubringen. Ein Jahr Uta und schon läuft alles wie am Schnürchen. Unsere Kinder erzielen erste Preise bei Malwettbewerben und Sportveranstaltungen, es gibt Lesungen mit Kinderbuchautoren, Tanzkurse mit Rappern und Ausflüge in die Kulissen der großen Theater. Schnell sind die »Stoppelhopser« der Geheimtipp im Kiez, wir können uns kaum noch retten vor Anfragen von Eltern, die ebenfalls Betreuungsbedarf für ihre Kinder haben.
    Es war Utas Vorschlag, unserem Zivi Karl, einem hübschen Jim Morrison in spe, der nicht wusste, wie er sein Musikstudium finanzieren sollte, nach Beendigung des Zivildienstes einen Arbeitsvertrag anzubieten.
    Seitdem haben wir zwei Erzieher: die resolute Uta und den smarten Karl, den die Kinder nur Musik-Karl nennen, weil er mit den Kindern vor allem singt. Ich nehme an, er ist auch für dieses dämliche »Laurentia« verantwortlich, aber er kann auch sämtliche Lieder von Rolf Zuckowski. Vermutlich macht er seine Sache gut, denn die Kinder sind ganz begeistert von ihm und trällern noch den ganzen Nachhauseweg von der »Weihnachtsbäckerei« , von »Sommerzeit – Ferienzeit« und von dem, was sie am meisten mögen, nämlich »… ganz doll mich« .
    Überhaupt der Nachhauseweg: Kinder scheinen kein Zeitgefühl zu haben. Sie verstehen einfach nicht, dass es auch mal schneller gehen muss. Sie trödeln im Zeitlupentempo herum, wollen hier ein Eis und da mal gucken, und dann lockt da noch der Spielplatz an der Apostel-Paulus-Kirche.
    Hier treffe ich Maren, eine sehr erfolgreiche Konzept-Künstlerin mit einer Vorliebe für lange, wallende Seidenstoffe und übergroße Sonnenbrillen. Maren ist gerade selbst auf dem Weg zu den »Stoppelhopsern«, um ihre auf die Namen Luna-Mae und Zack-Amadeus hörenden Kinder abzuholen.
    »Hast du schon gehört«, fragt sie mich mit ernst umwölkter Miene, »es gibt Ärger mit Uta und Karl.«
    »Echt?« Ich bin einigermaßen verblüfft, denn: »Davon war eben im Kinderladen nichts zu spüren.«
    »Das wäre ja noch schöner, wenn die das vor den Kindern austragen würden.«
    »Wieso?« Ich recke meinen Hals, da Liam und Zoé im Gebüsch am Rande des Spielplatzes verschwunden sind, um sich »eine Höhle« zu bauen. »Worum geht’s denn?«
    »Die können nicht miteinander.« Maren seufzt. »Kein Wunder. Uta ist einfach zu heavy für den armen Karl.«
    »Ach, der soll sich nicht so haben«, winke ich ab. Karl ist zwar ein netter Kerl, hat aber keine Ahnung vom Leben. »Es ist ganz gut, wenn ihm mal jemand zeigt, wo’s langgeht.«
    »Das scheint Karl aber anders zu sehen.« Maren nimmt ihre Sonnenbrille ab und sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Hugo hat erzählt, dass Karl kündigen will.«
    Hugo ist unser

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