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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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doch endlich schon Sonntag, Montag, Dienstag, Mittwoch wär, und ich bei meiner Zo-é-hé wär …«
    Alter Schwede! Für einen Mann mittleren Alters kann das schon zur Herausforderung werden, besonders freitags und wenn man Zwillinge hat. Alles muss man doppelt machen, denn nach der Zoé wird natürlich auch noch der Liam verabschiedet. »Li-a-ham, lieber Li-a-ham mein …« Das heißt in die Hocke gehen bis zum Abwinken. Mir jedenfalls zittern am Ende immer ziemlich die Knie.
    Das Familienbild in Deutschland ist immer noch, und politisch durchaus gewollt, altruistisch gehalten, zumindest, was die Rolle der Frau angeht: Beruflich ist Pause angesagt, grundsätzlich soll eine Mutter in ihren Kindern aufgehen. Aus Gründen der Gleichberechtigung dürfen das jetzt auch Väter, aber wer macht sich schon gerne lächerlich.
    Frauen dagegen, die trotz Kindern Karriere und somit uns Männern Konkurrenz machen wollen, gelten gerade in konservativen Kreisen als verdächtig, wenn nicht sogar als Rabenmütter. Mit dieser Haltung steht unser Land in Europa inzwischen ziemlich alleine da, denn selbst in katholisch geprägten Ländern wie Frankreich oder Spanien ist eine ganztägige Betreuung auch für Kleinkinder kein Problem. Die Mutti kann wie der Papa arbeiten gehen, und die Kinder sind versorgt. Die Geburtenraten steigen. In Deutschland dagegen sehen aufgrund fehlender Betreuungsplätze immer mehr Paare vom Kinderwunsch ab und entscheiden sich für eine rein berufliche Zukunft. Mit der Folge, dass seit Jahrzehnten immer weniger Kinder geboren werden. Unsere Renten sind längst nicht mehr sicher. Wer sich für beides, also Beruf und Kind, entscheiden will, muss sich eben selbst um eine entsprechende Betreuung kümmern.
    So entstand in den siebziger Jahren das Kinderladenprinzip. Vor allem in den Großstädten tun sich Eltern zusammen, zahlen monatlich einen Beitrag in eine gemeinsame Kasse ein und mieten von dem Geld leerstehende Ladenwohnungen an, die kindgerecht renoviert werden. Zum Hof hinaus ein Tobe- und ein Ruheraum, daneben die Küche sowie ein Bad mit Windelecke, und im vormaligen Verkaufsraum ist genug Platz zum Spielen, Malen und Essen.
    Heute gibt es Hunderte solcher Kinderläden in Berlin, viele mit recht exotisch anmutenden Erziehungsansätzen, mal antiautoritär, mal buddhistisch gefärbt, andere wieder schwören auf Ganzheitlichkeit und Anthroposophie. Selbst einen Nazikinderladen soll es in Berlin schon gegeben haben, in dem die Kleinen zu Frontkämpfern für die nationalistische Sache geformt werden sollten. Doch dann liefen Politik und Presse Sturm, und der Laden wurde wieder dichtgemacht. Obwohl mich schon interessiert hätte, wie viele der kleinen Nazigören am Ende tatsächlich zu echten Faschos geworden wären oder ob es da doch pubertär bedingte pazifistisch-internationalistische Abweichler gegeben hätte.
    Wie auch immer: Kinderläden sind en vogue , und seit einigen Jahren beteiligt sich auch der Staat an dieser Form der privat organisierten Kinderbetreuung, indem er sie finanziell mit einem kleinen Beitrag unterstützt. Hilfe zur Selbsthilfe nennt sich das.
    In der DDR hingegen gab es, ähnlich wie in Frankreich, ein flächendeckendes, aus dem Bildungsetat finanziertes staatliches Kinderbetreuungssystem. Auch die volkseigenen Betriebe unterhielten eigene Kindergärten für den Nachwuchs berufstätiger Mütter und Väter. Kinderkriegen war kein Problem, auch finanziell hatten Eltern keine Einbußen, ganz im Gegenteil: Es gab hohe Prämien für jedes Kind, zinslose Kredite und den gesetzlichen Anspruch auf ausreichend bezahlbaren Wohnraum. Doch nach dem Zusammenbruch der DDR gingen auch die VEB s mit ihren Kindergärten pleite, das staatliche Betreuungssystem wurde abgewickelt. Seitdem sind viele ehemalige Erzieherinnen ohne Job, was im alten Westberlin für reichlich Diskussionsstoff sorgt.
    Bislang hatten hier die Eltern selbst im wöchentlichen Wechsel die Aufsicht über die kleinen Racker in den Kinderläden übernommen. Jetzt aber gibt es genug freie Fachkräfte aus dem Osten, die durchaus geeignet und in der Lage sind, die Vorschulerziehung unserer Kinder gerade auch in den privat geführten Läden zu professionalisieren. Soll man also Arbeitgeber werden? Zum Wohle unserer Kinder? Finanziell wäre das mit einer kleinen Beitragserhöhung machbar, zudem gibt es Fördermöglichkeiten aus diversen Strukturfonds des Landes, Lohnzuschussleistungen und Investitionszulagen für Kleinbetriebe, um

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