Mordspech (German Edition)
hereinkommen und mir den Kaffee servieren.
»Una fotocopia del foglio.« Er sieht Hünerbein zu, der reinhaut, als hätte er seit Wochen nichts Anständiges zu beißen gekriegt. » Buon appetito, Signor Commissario.«
»Alti papaveri.« Gedankenverloren nippe ich an meinem Kaffee. Große Mohnblumen … »Geht’s vielleicht genauer, Enzo?«
»Scusi«, winkt Enzo entschuldigend ab, »aber ich will überleben den nächsten Morgen.«
Tja. Wer will das nicht? Und wenn sogar Enzo um sein Leben fürchtet, der mächtige Pate von Schöneberg, mit wem hat sich dann Kawelka angelegt?
Wer will partout verhindern, dass diese Geschichte von dem alten Giftbunker ans Licht kommt? Und vor allem warum?
Wer sind diese großen Mohnblumen? – Wer?
15 VIELLEICHT WURDE ER ja wirklich langsam wahnsinnig. Jedenfalls schien diese Dipl.-Psych. Susanne Baier einen Narren an ihm gefressen zu haben. Als Meyer sie anrief, um zu fragen, ob er sie sehen könne, auch außerhalb des vereinbarten Termins, war sie sofort zu einem Treffen bereit. Er schien also ein spezieller Fall zu sein. Und er fühlte sich auch so.
Heute Morgen, er war gerade im lauschigen Doppelbett von Monika und ihrem Dieter erwacht, hatte er sofort das Gefühl, beobachtet zu werden. Es musste von draußen kommen, denn es war niemand mehr in der Wohnung, der ihn beobachten konnte. Dieter war erst sehr spät in der Nacht zurückgekommen und schon wieder aus dem Haus, denn die Zwillinge waren auch nicht mehr da. Wahrscheinlich hatte er sie schon zum Kinderladen gebracht. Auf dem Küchentisch lagen die Autoschlüssel und ein Zettel, in dem er sich nochmals bei Meyer bedankte. Das Auto stehe unversehrt gegenüber. Frühstück sei im Kühlschrank, Toastbrot im Schrank neben der Spüle und Kaffee in der Thermoskanne.
Aber Meyer hatte keinen Hunger. Er war angespannt, spürte jeden Muskel seines Körpers. Wie ein Karnickel, das ständig auf der Hut vor irgendwelchen Fressfeinden sein muss. Immer bereit zur Flucht. Der Punkt war, dass Meyer nicht genau wusste, vor wem und wohin er fliehen sollte. Wer zum Teufel beobachtete ihn? War das wirklich alles nur Einbildung?
Dann fiel ihm Melanie ein. Das arme Mädel. Seine Tochter! Das war eine Idee: Er würde Melanie und Monika vom Krankenhaus abholen. Das lenkte ab. Und es würde einen möglichen Beschatter auch verwirren. Dass Meyer eben nicht nach Hause fuhr. Und auch nicht ins Büro. Dass er sich nicht in seine Arbeit stürzte, sondern einfach privat unterwegs war. Harmlos.
Eine alte Lehre aus Meyers Zeit beim Ministerium für Staatssicherheit war: Langweile deine Observateure, und sie werden unaufmerksam. Sei nicht interessant. Latsche sinnlos durch die Stadt. Besuche Verwandte und gucke tagelang fern. Sei müßig, bis du nicht mehr wichtig bist.
Meyer trank noch einen Kaffee und zog sein Handy hervor, um der Dipl.-Psych. abzusagen. Zunächst wolle er sich um seine Tochter kümmern, die gestern verunfallt sei. Nein, es sei nicht so schlimm, aber das Mädchen brauche jetzt seinen Beistand mehr als er den der Psychologin. Man könne sich ja morgen treffen. Er rufe wieder an.
Dann putzte er sich mit Monikas Zahnbürste die Zähne, schlug sich etwas Wasser ins Gesicht und zog sein Sakko über. Die Treppen hinunter zum Erdgeschoss nahm er munter im Laufschritt, doch bevor er die Haustür öffnete, zögerte er. Vielleicht gab es einen Hinterausgang? Über den er unerkannt entkommen könnte …
Moment! Falscher Gedanke, typischer Anfängerfehler – und dabei war Meyer nun doch schon elend lange in diesem Geschäft, eine kleine Ewigkeit. Er war ein Profi. Und als solcher würde er natürlich ganz normal durch den Haupteingang das Haus verlassen.
Er hatte nichts zu verbergen, natürlich nicht! Er konnte frank und frei durch den Haupteingang gehen. Er war uninteressant. Verdacht erregte nur der, der sich heimlich durch den Hinterausgang über die Höfe davonstehlen wollte. Zudem stand Meyers Auto ohnehin gegenüber, und jeder ordentliche Beschatter würde sich natürlich auf den Wagen konzentrieren. Wer mit dem Wagen kam, fuhr auch mit dem Wagen wieder weg.
Insofern war die Idee, Dieter das Auto zu leihen, nicht schlecht gewesen – haha –, das hatte die Observateure bestimmt ganz schön ins Schwitzen gebracht.
Amüsiert drückte Meyer die Klinke der Haustür und trat offensiv auf die Straße.
Ganz offen, ganz offiziell ging er auf seinen Wagen zu. Nichts Ungewöhnliches hier draußen. Die üblichen Passanten
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