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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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heftige Auseinandersetzungen. Am Stuttgarter Platz und in der Kantstraße jagten sich die Gangster gegenseitig mit Autobomben in die Luft, es gab täglich Schießereien im öffentlichen Raum, Charlottenburger Diskotheken gingen in Flammen auf. Und wieder waren unter den Opfern dieses Krieges auch vollkommen unschuldige Bürger.
    Dass es in meinem Kiez relativ ruhig blieb, ist vor allem dem mächtigen Paten von Schöneberg zu verdanken. Vincenzo D’Annunzio, genannt Enzo, Spross einer uralten Briganti-Familie aus dem kalabrischen San Luca und oberster ’Ndrinu in Berlin, hatte rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt. Von Anfang an setzte er auf, wie er es nannte, »kluge Taktik und Diplomatie«.
    Ich wollte mir nie vorstellen, was das genau bedeutete. Aber offenbar hat seine Strategie zum gewünschten Erfolg geführt. Von Bandenkriegen blieb Schöneberg verschont, und der mächtige kalabrische Clan ist heute stärker denn je.
    Ihren Hauptsitz haben die D’Annunzios in der Trattoria »L’Emigrante«, einem gemütlichen Lokal mit gehobener italienischer Küche. Es ist nur wenige Fußminuten von meiner Wohnung in der Akazienstraße entfernt. Seit Jahren bin ich hier Stammgast, und entsprechend überschwänglich werde ich begrüßt:
    »Signor Commissario, baciamo le mani !« Mit ausgebreiteten Armen kommt Enzo auf mich zu, ein kleiner, untersetzter und fast kahlköpfiger Patron von schon weit über siebzig Jahren. »Und du hast mitgebracht deine Partner: Essere magro come un’acciuga  – ihr müsst hungrig sein. Setzt euch, setzt euch!« Aufgeregt schiebt er uns Stühle zurecht und ruft nach seinen Söhnen. »Francesco! Giuseppe! Abbiamo ospiti! Wir haben Gäste! Presto, presto! «
    »Enzo«, bremse ich seinen Elan, »wir sind nicht nur zum Essen hier.«
    »Aber auch.« Hünerbein hat sich schon in die Karte vertieft und schnalzt in Vorfreude auf kommende Genüsse vor sich hin.
    Enzo beugt sich vor. »Es gibt Probleme?«
    Ich nicke.
    »Große Probleme«, fragt Enzo nach, »Probleme, die stören könnten i buoni rapporti , unsere guten Beziehungen?«
    »Das will ich nicht hoffen, Enzo. Aber es geht um einen Mord.« Ich lege die Patrone vom Tatort auf den Tisch. »Einen Auftragsmord, ausgeführt durch einen professionellen Killer.«
    »Cazzo!« Enzo nimmt die Patrone in die Hand und besieht sie sich mit besorgter Miene. »Ist das aus unserem Kiez?«
    »Belziger Straße. Damit wurde ein Fahrradbote getötet.«
    »Non c’è Cristo che tenga.« Enzo macht eine bedauernde Miene und setzt sich zu uns. »Was kann ich für euch tun?«
    »Ich nehme eine große Cola und das Carpaccio als Vorspeise«, meldet Hünerbein, »danach das Scaloppa Milanese und ein Pollo di San Luca.« Er legt die Karte weg und sieht Enzo zufrieden an. »Zum Abschluss das leckere Tiramisu mit der Heidelbeersoße und einen doppelten Espresso.«
    »Der Fahrradbote war nicht das Ziel«, sage ich, vollkommen überzeugt, dass Enzo schon davon gehört hat. Ich kenne ihn. Ihm bleibt nichts im Kiez verborgen.
    »Aber«, betroffen legt er die Patrone wieder auf den Tisch, »er wurde erschossen.«
    »Versehentlich«, kläre ich ihn auf, »denn eigentlich war ein kleiner Lokalreporter im Visier. Und nun frage ich mich: Wer setzt einen Auftragskiller auf einen scheinbar völlig unbedeutenden Lokalreporter an?«
    »Tja, mondo cane «, Enzo hebt resignierend die Hände und erhebt sich wieder. »Scheißwelt! Willst du auch etwas essen?«
    »Nur einen Kaffee«, denn ich bin immer noch sehr müde. Enzo will eilfertig zum Tresen, um die Bestellungen weiterzuleiten, doch ich halte ihn zurück: »Was ist eigentlich aus den achtundfünfzig Präzisionswaffen geworden, die der Bundeswehr in Bosnien abhandengekommen sind?«
    Enzo stockt und dreht sich langsam wieder zu mir um. »Was willst du mir anhängen, Signor Commissario?«
    »Nichts, Enzo. Gar nichts. Aber wie heißt es bei euch Italienern: Bisogna rompere la noce … «
    »… se si vuol mangiare il nocciolo«, beendet der Patrone meinen Satz und setzt sich wieder hin, »wer den Kern will, muss die Nuss knacken, richtig! Aber mit dem Mord haben wir nichts zu tun. Und mit den verschwundenen Waffen der Bundeswehr schon gar nicht!«
    »Wenn ein Auftragskiller in deinem Kiez aktiv wird, kann dich das nicht kaltlassen, Enzo.«
    »Es lässt mich nicht kalt.« Er seufzt und streicht sich resigniert über das kahle Haupt. »Aber was soll ich machen? Dieser Kawelka …«
    Sieh an, Enzo kennt sogar seinen

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