Mordspech (German Edition)
pendelten zwischen der Biolandfleischerei, dem Zeitungsladen und dem Bäcker herum. Der Felsenkeller hatte noch zu, und im Thailänder gegenüber bereiteten sie sich auf den Ansturm zum Businesslunch vor. Alles wie immer.
Meyer lief über die Straße, wich dabei ein paar Radfahrern aus und zückte seine Funkfernbedienung, dass es alle sehen konnten: Nein! Er hatte keine Angst. Er musste sich nicht verstecken. Wer auch immer ihn beobachtete, konnte es tun, bis er schwarz wurde.
Er war noch etwa zehn Meter entfernt, als er den Wagen per Funk entriegelte. Doch statt des satten Plopps, mit dem sich die Türen üblicherweise freigaben, gab es heute einen ohrenbetäubenden Knall. Die Druckwelle schleuderte Meyer auf den Bürgersteig zurück. Fassungslos sah er auf den in ein helles Flammenmeer getauchten BMW Z3 , und in seinen Ohren stand ein fiepender Pfeifton, der alle anderen Geräusche verschlang.
16 ICH BIN KURZ DAVOR , mich zu übergeben. Der Geruch im Gerichtsmedizinischen Institut der Charité ist nicht besser als in unserem alten Westberliner Leichenschauhaus, das kürzlich einem Aldimarkt weichen musste. Und an den Anblick sezierter Leichen werde ich mich auch nie gewöhnen. Sie liegen nebeneinander auf zwei Bahren. Links der erschossene Fahrradkurier, rechts der erdrosselte Kawelka, und dazwischen stehen die Professoren Graber und Kurzweil und halten ermüdende Vorträge.
Im Gegensatz zum Radfahrer, der von seinem plötzlichen Tod durch die Art des Kopfschusses kaum mehr etwas mitbekommen haben kann, war die Strangulation des Reporters schmerzhaft und grausam. Da sich der Draht sofort ins Fleisch des Halses schneidet, hat das Opfer keine Chance auf eine wirksame Gegenwehr.
»Die wird in einem solchen Falle von unserem eigenen Selbsterhaltungstrieb unterbunden, verstehen Sie? Der Automatismus unserer inneren Abwehr konzentriert sich allein auf den in den Hals schneidenden Draht, nicht aber auf den Angreifer selbst.«
»Kann … ähm …« Mühsam versuche ich, den Brechreiz zu unterdrücken. »Kann der Angreifer auch eine Frau gewesen sein?«
»Eine Frau«, fragt Hünerbein, der noch nie Probleme mit der Pathologie hatte und angesichts der Leichen sogar ein Brötchen vertilgen kann, »wieso eine Frau?«
»Als Kawelka den toten Fahrradkurier fotografieren wollte, wurde er doch von einer Frau wieder ins Büro geschickt.«
»Die vom Psychologischen Dienst?«
»Wenn sie überhaupt vom Psychologischen Dienst war.« Gott, ist mir schlecht.
»Diese Art der Strangulation«, beantwortet Graber meine Frage, »erfordert Ausdauer.« Er zieht sich seine Gummihandschuhe mit einem lauten Schmatzer von den Händen. »Und zeigt nicht gerade das weibliche Geschlecht mehr Beharrlichkeit bei der Ausführung seiner Vorhaben als wir Männer? Statistisch ist längst erwiesen, dass uns die Dinge schneller langweilen, dass wir eher geneigt sind, aufzugeben, wenn uns der Aufwand zu hoch erscheint. Frauen dagegen gehen zielbewusster vor, überlegter. Das gilt auch beim Mord.«
»Na, ich weiß nicht.« Hünerbein ist skeptisch. »Die meisten Morde werden immer noch von Männern begangen.«
»Sind Sie sicher?« Graber wiegt das Haupt. »Vielleicht sind Frauen nur geschickter. Vielleicht bleiben weibliche Morde ja eher unentdeckt. Was unseren Kawelka betrifft«, er deckt die beiden Leichen mit einem weißen Laken ab, »nun, der könnte durchaus von weiblicher Hand umgebracht worden sein, obgleich zunächst der äußere Eindruck dagegensprechen mag. Bei dem Fahrradkurier tendiere ich allerdings eher zu einem männlichen Täter.«
»Wieso«, wende ich ein, »Schießen kostet doch sehr viel weniger Kraft als Erwürgen?«
»Da haben Sie recht, mein lieber Knoop«, gibt Graber zu. »Doch erfordert der Umgang mit einer solchen Distanzwaffe eine Routine, wie sie nur der Soldat kennt. Ich will Ihren Ermittlungen nicht vorgreifen, gebe aber dennoch zu bedenken, dass Frauen beim Militär noch relativ selten anzutreffen sind. – Interessant ist vielmehr etwas anderes.« Der Professor geht zu seinem Schreibtisch am Fenster und reicht mir eine schmale Aktenkladde. »Die toxische Analyse der beiden Opfer.«
Ich verstehe kein Wort. Oder besser, ich kann mich kaum konzentrieren, weil mir so übel ist.
»Die toxische Analyse ist eine reine Routineuntersuchung in der Forensik«, fährt Graber fort. »Wir machen sie von jedem Opfer, um auszuschließen, dass es nicht noch eine zweite Todesursache gibt. Erinnern Sie sich an den Fall
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