Mordspech (German Edition)
Hünerbein ab, »ich bin das am PC mal durchgegangen, aber Profikiller sind halt sehr vorsichtige und diskrete Leute.« Auch er schlägt seinen Notizblock auf. »Da gab es einmal den sogenannten ›Snajper‹, einen ehemaligen Fallschirmjäger, der sich nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr kriminellen Kreisen andiente. Er kam bei seiner Festnahme vor drei Jahren ums Leben.«
»Damit fällt er als Täter aus«, stellt Matuschka fest.
»Genau wie der als ›Würger‹ bekannte Afghanistanveteran Vitali Dobka. Er bediente sich ähnlicher Tötungsmethoden wie der beim Kawelka angewendeten Drahtschlinge, sitzt aber seit sechs Jahren in Tegel im Knast.«
»Und der ›Stille‹? Was ist mit dem?«
Hünerbein winkt ab. Der »Stille« war der Geheimnisvollste unter den polizeibekannten Berufskillern. Er hinterließ keine Spuren, brachte seine Opfer in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren stets lautlos durch Genickbruch um und wurde nie gefasst.
»Leider ist der ›Stille‹ seit gut zehn Jahren nicht wieder in Erscheinung getreten. Wir nehmen an, dass er sich irgendwo zur Ruhe gesetzt hat.«
»Es sei denn, er hat die Tötungsmethode gewechselt«, überlegt Matuschka, »und schießt jetzt scharf.«
»Unwahrscheinlich«, finde ich das und ziehe mein Handy aus der Hosentasche, weil es mal wieder piept.
Vermutlich schon länger, wegen des lärmenden Balkan-Orchesters ist es nur schwer zu hören.
Doch auch Hünerbein, Matuschka und Beylich holen ihre Funktelefone hervor. Erstaunt gucken wir uns an.
»Rundruf«, stellt Hünerbein fest und wirft einen Blick auf das Display. »Der Chef!« Er hält sich das Handy ans Ohr und geht raus vor die Tür, um den Anrufer besser verstehen zu können.
Wir stecken unsere Handys wieder ein und wippen mit den Köpfen im Takt des trompetösen Polka-Irrsinns.
Nach einer Weile kommt Hünerbein wieder zurück und macht eine gewichtige Miene.
»Wir müssen sofort rüber. Da wartet hoher Besuch auf uns.«
»Der Innensenator?«, fragt Matuschka erschrocken.
»Nee«, erwidert Hünerbein. »Das Bundeskriminalamt. Bin gespannt, was die von uns wollen.«
Wir sind im Begriff, den »Adriatico-Grill« zu verlassen, als uns der Kellner mit den Schwedeneisbechern in den Weg tritt.
»Oh, besten Dank«, freut sich Hünerbein und nimmt ihm das Tablett ab, »aber wir müssen dringend in eine Besprechung. Wir bringen Tablett und Geschirr nachher wieder zurück. Und dann begleichen wir auch die Rechnung. Do videnja , Nachbar!«
23 » AH , DAS IST NETT , danke!« Palitzsch schnappt sich sofort die drei Eisbecher vom Tablett, kaum dass wir in den Besprechungsraum eingetreten sind. »Sie denken wirklich an alles!«
Dann bietet er zwei ernst dreinblickenden Herren in Blousonlederjacken und militärischen Kurzhaarschnitten je ein Schwedeneis an, das dritte reserviert er für sich.
Hünerbein ist sprachlos und daher auch zu keiner Form des Protestes fähig. Mit großen Augen sieht er zu, wie sein Eis weggelöffelt wird.
»Meine Herren«, mampft Kriminaloberrat Dr. Edmund Palitzsch und weist auf die beiden Blousonjacken, »ich darf kurz vorstellen: die Kollegen Goerdeler und Paulsen vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden. Herr Paulsen, Herr Goerdeler«, jetzt zeigt er mit dem Eislöffel auf uns, »dies ist die berühmt-berüchtige Berliner Mordkommission eins in alphabetischer Reihenfolge: Oberkommissar Egon Beylich, Erster Hauptkommissar Harald Hünerbein, Zweiter Hauptkommissar Hans Dieter Knoop und Oberkommissar Rainer Matuschka. Ihrer hervorragenden Arbeit ist es zu verdanken, dass wir mit zweiundachtzig Komma sieben Prozent eine der höchsten Aufklärungsquoten nicht nur in Berlin, sondern auch im Vergleich zum Bundesgebiet haben. Männer! Ich bin stolz auf euch.« Er klatscht demonstrativ in die Hände. »Das habt ihr gut gemacht. Bravo, Kollegen! Eure Arbeit ist ganz große Klasse!«
Verwundert schauen wir uns an. Liegt es am Eis, dass der Alte so voller Überschwang ist? Oder hat er was anderes genommen?
Die beiden BKA -Beamten klatschen brav mit, fast ist es uns peinlich. Dann kehrt allmählich wieder Ruhe ein. Die drei schlecken stumm ihr Eis, und wir schauen zu.
»Darf man fragen«, räuspert sich Hünerbein nach einer Weile vernehmlich, »was Ihr Besuch bei uns zu bedeuten hat?«
»Ja, das darf man.« Goerdeler widmet sich ohne weitere Worte wieder seinem Eis.
Aha, denke ich, das ist ein ganz Witziger.
Hünerbein sitzt zähneknirschend neben mir. Sein steigender
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