Mordspech (German Edition)
Psychologin aber führte ihn glücklich in ihre kleine Küche, wo Siegbert Meyer bald geschäftig mit Töpfen und Pfannen zu klappern begann.
21 » WIESO ICH ? Cazzo infantibile! Warum werde ich abgeführt?«
Natürlich regt sich der Patron auf. Ich hatte einen Polizeiwagen zum »L’Emigrante« geschickt und den stolzen Ndrinu sehr amtlich ins Dienstgebäude Keithstraße bringen lassen. Vorläufige Festnahme zur Klärung eines Sachverhalts nennt sich das.
Für Enzo ist das ein Affront, ein ungeheurer Vorgang, eines D’Annunzio vollkommen unwürdig, zumal er vermutlich weder etwas mit dem toten Kawelka noch mit dem Sprengsatz unter Siggis Auto zu tun hat. Das ist nicht sein Stil. Aber wenn ich erfahren will, was wirklich passiert im Kiez, muss ich ihn an seiner Ehre packen. Die Daumenschrauben anziehen, bis der alte Brigant kooperiert. Macht demonstrieren, wie Hünerbein das nennt. Zeigen, wo der Hammer hängt.
»Das kannst du nicht machen mit mir!« Aufgebracht rennt Enzo in meinem Büro auf und ab und gestikuliert mit den Armen. »Das wirst du bereuen, Signor Commissario, bitter bereuen!«
»Setz dich, Enzo!«
»Bin ich ein maledetto imbecille ?« Er wedelt wütend mit den Fäusten. » Porco dio , wofür hältst du mich?!«
»Ich sagte, du sollst dich setzen!« Auch ich werde lauter.
» Vaffanculo! Was ist geworden aus unsere coesistenza pacifica ? Wir hatten eine Abmachung!«
»Wir hatten eine Abmachung? – Enzo!« Unbewegt stehe ich vor ihm und schüttele langsam den Kopf. Eine Geste, die ich mir von Al Pacino abgeguckt habe. Sie soll finstere Entschlossenheit demonstrieren. Jetzt wird aufgeräumt!
»Enzo«, wiederhole ich und drücke ihn unmissverständlich in einen Stuhl. »Eine Abmachung bedarf bestimmter Rahmenbedingungen. Und ich kann nicht erkennen, dass diese noch erfüllt werden: ein erschossener Fahrradkurier, ein erdrosselter Reporter. Und in der Akazienstraße geht eine Autobombe hoch. – Was soll ich davon halten, Enzo? Du hast deinen Kiez nicht mehr im Griff!«
»Che cazzo dici«, Enzo starrt mich mit kreisrunden Augen an. »Ich habe nichts zu tun mit deine affari, pezzo di merda !«
»Na, wenn das so ist.« Ich lasse ihn los und setze mich an meinen Schreibtisch. »Dann muss ich ab sofort selbst für Ordnung sorgen. Und mit dir fange ich an!« Geschäftig schlage ich einen dicken Ordner auf. »Schutzgelderpressung, Drogenschmuggel, Prostitution und Glücksspiel, ts, ts, ts …« Missbilligend sehe auf. »Gibt es eigentlich irgendwas, wo du nicht deine dreckigen Finger drin hast?«
»So kannst du nicht mit mir reden!« Enzo springt völlig außer sich wieder auf. »Das ist unfair, Signor Commissario, totalmente inaccettabile ! Wie lange kennen wir uns? Fünfzehn Jahre? Zwanzig? Und waren wir nicht immer buoni amici , gute Freunde?« Fast hat er Tränen in den Augen. »Haben wir nicht immer gut kooperiert? War es nicht das Beste für uns beide? Und war es nicht auch das Beste per il nostro quartiere , für unseren Kiez?«
»Ja«, pflichte ich ihm bei. »Das war es. Aber diese Zeiten scheinen offenbar vorbei zu sein …«
» Mi perdoni , ist es meine Schuld?« Barmend hebt er die Hände. » Che casino! Ich weiß nicht, wer macht diesen Ärger! Qui gatta ci cova! Aber es hat zu tun mit diese Bunker im Oderbruch. Mit chemische Gas für Weltkrieg! Ich bin sicher. Questo è il problema! «
Ich lehne mich zurück und beobachte ihn genau. Was weiß er wirklich?
»Diese alte Giftgasfabrik im Oderbruch: Wer hat sich zuletzt darum gekümmert?«
»Die Sowjets«, antwortet er prompt. »Haben damit experimentiert vermutlich. Es war ein Objekt, streng geheim.«
»Die Sowjets sind aber schon lange weg.«
»Das Gift ist noch da, Signor Commissario.«
»Kann da jeder ran?«
»Natürlich nicht.« Enzo ringt mit sich. »Es wird bewacht.«
»Von wem?«
»Ich weiß nicht. Eine Spezialtruppe. Paramilitari. Niemand weiß genau.«
Eine paramilitärische Spezialtruppe hält einen alten Giftgasbunker der Nazis besetzt? Das wird ja immer abenteuerlicher.
»Und Kawelka ist dahintergekommen?«
»Deshalb ist er tot.« Enzo seufzt bekümmert. »Er hat geschrieben eine Carta , ein Dossier. Zu seiner Absicherung. Aber es ihm nichts genutzt.«
»Er hat ein Dossier verfasst?« Ich bin wie elektrisiert. »Weißt du, wo es ist?«
Enzo schüttelt den Kopf. »Niemand weiß es. Aber sie suchen es.«
»Wer?«
»Chi vivrà vedrà.« Enzo zeigt auf seine teure Schweizer Armbanduhr und tippt sich
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