Mordspech (German Edition)
Mond im Wasser zu tanzen.
Verdammte Blutsauger. Meyer klatschte sich eine der Mücken aus dem Gesicht, die ihn sirrend umschwirrten. Sie waren nervend, aber nicht unnütz, wie er aus DDR -Zeiten wusste.
Damals hatte die Regierung den Mücken mittels Chemikalien den Garaus gemacht. Ziel war es, die Lebensqualität der Werktätigen in den warmen Sommermonaten zu verbessern. Das Volk verbrachte seine Freizeit gern im Freien und wollte in Ruhe grillen. Doch mit den Mücken blieben auch die Singvögel aus, die sich von den Insekten ernährten. Dadurch konnten sich andere Schädlinge vermehren, Kartoffelkäfer zum Beispiel, irgendwelche Raupen, die das Getreide fraßen, bevor es geerntet werden konnte. Von wegen Lebensqualität. Fast wäre es zu einer Hungersnot gekommen. Die Natur lässt sich eben nicht so einfach mit Chemie überlisten. Alles hat seinen Platz und seinen Sinn. Im darauffolgenden Sommer ließ die Regierung die Mücken leben, die Singvögel kamen zurück, die Ernte konnte eingefahren werden, und alles war wieder gut.
Meyer seufzte. Wie schön es damals war in der guten alten DDR . Das war sein Land. Er vermisste es, immer noch und immer wieder. Hier in Ferch sah es an vielen Ecken noch aus wie früher, und vermutlich hatte allein der Reiz der herrlichen Landschaft die Psychologin veranlasst, sich diese Bruchbude zuzulegen. Sehr romantisch, direkt am See gelegen. Da fehlte halt nur ein geeigneter Mann, der mit anpacken konnte. Eine Frau allein konnte das gar nicht schaffen, schon gar nicht, wenn sie voll berufstätig war. Wie sollte das gehen?
Meyer lachte auf und schüttelte den Kopf. Absurd war das. Völlig unmöglich.
Morgen, wenn es Tag würde, wollte er sich hier ein bisschen umsehen. Tatenlos herumzusitzen war seine Sache nicht. Vielleicht konnte er ein bisschen was schaffen. Aufräumen im Garten, Schutt abtransportieren, Fensterläden ausbessern, Dielen abziehen, es gab so viel zu tun hier. Er würde sich zunächst einen Überblick verschaffen und dann ran an die Arbeit. Wer weiß, wie lange er es hier aushalten musste. Da war Beschäftigung immer gut.
Und vielleicht war das auch genau das Kalkül der Dipl.-Psych., als sie ihn hier rausfuhr. Dass er was schaffen konnte. Dass er ihr hier ein romantisches Nest bauen würde.
Noch so’n Frauending. Männer müssen Nester bauen, für eine gesicherte Zukunft sorgen, die Familie verteidigen können. Nun, zumindest was das Erste anging, würde Meyer seine Psychologin nicht enttäuschen.
»Auf Ihren Kopf ist eine Waffe gerichtet!«
Beunruhigende Worte, fand Meyer. Vermutlich die Nerven. Oder Einbildung. Angst. Es konnte niemand hier sein. Er hatte auf alles geachtet. Hatte genau geguckt, ob jemand auf der Straße war, als sie aus dem Haus gingen. Da war keiner. Auch nicht, als er mit der Dipl.-Psych. ins Auto stieg. Die ganze Fahrt bis hierher hatte er in den Rückspiegel gestarrt und geschaut, ob ihnen jemand folgte. Nichts. Kein Wagen, der länger als fünf Minuten hinter ihnen blieb. Auf den letzten Kilometern waren sie ganz allein auf der Straße.
Und hier war es so einsam. Totale Windstille. Kein Geräusch. Von den Bäumen nicht und auch sonst. Nur eine ferne Nachtigall, das war’s. Meyer hätte es hören müssen, wenn sich jemand dem Sommerhaus der Dipl.-Psych genähert hätte. Er war Profi, instinktiv konnte er Gefahren spüren, noch bevor sie akut wurden. Aber er hat weder etwas gehört noch gespürt. Und doch hatte er plötzlich das Gefühl, als sei der Ziellaser eines Präzisionsgewehrs auf seinen Hinterkopf gerichtet.
»Stehen Sie auf!« Ganz deutlich hörte er eine dunkle, ihm völlig unbekannte Stimme. »Und ganz langsam umdrehen.«
Das war unmissverständlich. Meyer begann zu schwitzen. Gleichzeitig wurde ihm eiskalt. Wie waren die so schnell darauf gekommen, wo er sich befand? Die mussten ihn beobachtet haben, die mussten ihn die ganze Zeit beobachtet und verfolgt haben. Bis hierher. Aber wie? Wo war der Fehler?
Vielleicht war er zu sehr in Gedanken gewesen. Manchmal merkt man ja dann gar nichts mehr, wenn man so ganz bei sich ist. Vielleicht hatte er sich auch zu sehr auf die Psychologin konzentriert. So, dass er wertvolle, ja geradezu überlebenswichtige Augenblicke lang unaufmerksam war. Verdammt, er musste etwas übersehen haben. Und nun war es zu spät.
Wie in Zeitlupe richtete er sich auf. Und als er sich mit erhobenen Händen umwandte, ganz, gaanz langsam, bemerkte er den kleinen roten Lichtpunkt des Ziellasers auf seiner
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