Mordspech (German Edition)
Meister geduldig und holt ein paar frische Keulen aus seinem Kühlfach. »Dann würzense mal. Wobei meine Goldbroiler die besten von janz Berlin sind. Wat ick damit sagen will, is: Ooch ick kann würzen!«
»Was ich nicht bezweifle, mein Herr«, versichert Hünerbein. »Haben Sie etwas Olivenöl?«
»Nee. Sonnenblumenöl könnse haben.«
»Kein Problem. Ich habe Olivenöl! Sardsch, holst du’s aus dem Wagen?«
Ich darf wieder rennen. Himmelherrgottnochmal! Immer diese Umstände.
Eine gute halbe Stunde später haben wir dann endlich unsere Hähnchenkeulen und sind wieder auf der Piste. Stop and drive, während Hünerbein seinen Mercedes lobt.
Das tut er immer, denn mein Kollege ist sehr stolz auf seine knapp sechs Jahre alte E-Klasse. Er ist schon immer die Marke mit dem Stern gefahren. Das seien, so behauptet er, die besten Autos der Welt. Immerhin haben Carl Benz und Gottlieb Daimler das Auto erfunden. Daher seien schon zwangsläufig alle anderen Marken nur ein müder Abklatsch des einzig wahren Automobils. Hünerbeins letzter Mercedes, ein stets auf Hochglanz polierter W 123, war vor ein paar Jahren einem polizeilichen Einsatz zum Opfer gefallen. Seitdem fährt er den Nachfolger. Nur die Schonbezüge sind noch aus dem alten Auto. Lammfell, stilistisch völlig aus der Zeit gefallen und alles andere als up to date, aber schön kuschelig.
»Man darf nur nicht Allergiker sein«, erklärt Hünerbein, »letztens hatte ich den Chef im Wagen, der ist aus dem Niesen gar nicht mehr herausgekommen.«
Ab Biesdorf, nach der Kreuzung zum Blumberger Damm, läuft der Verkehr wieder, und Hünerbein gibt Gas. Kurz darauf werden wir geblitzt.
Hünerbein schimpft über diese moderne Form der Wegelagerei und dass das ganze Geblitze doch nur dafür gut sei, um die klamme Senatskasse wieder aufzufüllen.
»Mit Verkehrssicherheit hat das schon lange nichts mehr zu tun. Aber die werden sich wundern«, verspricht er mir, »denn ich habe meine Knöllchen noch nie bezahlt. Die sollen mir erst mal nachweisen, dass ihr Blitzer korrekt arbeitet. Wusstest du eigentlich, dass fast achtzig Prozent der Radarfallen nicht richtig geeicht sind?«
Das mag ja sein, aber mit etwas über einhundert Stundenkilometern sind wir nun mal erheblich schneller als die erlaubten siebzig. Dazu brauche ich keinen geeichten Radar. Das sehe ich schon am Tacho.
»Sie können es nicht nachweisen«, bekräftigt Hünerbein, »und nur darum geht’s! Ich kann hier auch zweihundert fahren. Wenn sie nicht korrekt messen, können sie es mir nicht beweisen. Das allein ist der Punkt!«
»Fahr bitte nicht zweihundert.«
»Das schafft die Karre locker!«
Was niemand bezweifelt hat, doch ich möchte lebend im Oderbruch ankommen.
Schon fünf Kilometer vor Altgrieben ist die Landstraße gesperrt. Mehrere rot-weiße Plastikbaken mit gelben Bauleuchten stehen auf der Straße, dazu zwei Durchfahrtverbotsschilder und der Hinweis: »Überflutungsgefahr! Weiterfahrt strengstens verboten! Lebensgefahr!«.
»Auwei«, macht Hünerbein und lässt den Wagen ausrollen. »Und nun?«
Erst mal eine rauchen, denke ich und steige aus. Seit Hünerbein den neuen Wagen hat, darf man darin nicht mehr qualmen. Entsprechend groß ist mein Verlangen nach einer Zigarette.
Auch Hünerbein steigt aus und steckt sich eine an. Er will gerade zu einer seiner lautstarken Überlegungen ansetzen, wie man jetzt weiter verfahren solle, als ich eine ältere Frau auf einem Fahrrad bemerke, die uns geradewegs aus dem lebensgefährlichen Überflutungsgebiet entgegenkommt.
»Entschuldigung, junge Frau!« Ich gehe auf sie zu. »Kommen Sie aus Altgrieben?«
»Nee, aus New York«, antwortet sie etwas atemlos und steigt vom Rad. »Wieso?«
»Na, weil Sie …«, ich zeige mit der Zigarette auf die gesperrte Straße, »… aus dieser lebensgefährlichen Zone da kommen.«
»Det sehnse ja an mir, wie lebensjefährlich det is.« Die ältere Frau sieht mich herausfordernd an. »Wat wollnse denn in Altgrieben?«
»Jemand besuchen«, kommt mir Hünerbein zuvor. »Wir sind aus Berlin.«
»Det is jetzt aba’n schlechter Zeitpunkt fürn Besuch.« Die ältere Frau winkt ab. »Bis uff den ollen Vatta Schlünz is keener mehr in Altgrieben.«
»Schlünz«, lügt Hünerbein drauflos, »genau. Zu dem wollen wir.«
»Det kann nich sein.« Die Frau mustert uns jetzt sehr, sehr skeptisch. »Det hätta mir jesacht. Ick komm nämlich jerade von dem.«
»Ach! Dann ist Altgrieben gar nicht überflutet?«
»Sehnse
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