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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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irgendwo Wasser?«
    Das nicht. Im Gegenteil, die Gegend wirkt idyllisch und sehr friedlich. Vögel zwitschern in alten, hohen Laubbäumen. Von einer Gefahr ist nichts zu spüren. Überhaupt fehlt alles, was man derzeit ständig in den Nachrichten zu sehen bekommt. Kein Militär, keine sandsäckeschleppenden Soldaten, keine Helikopter. Und auch Reporter in Barbourjacken und Gummistiefeln sind uns bislang nicht begegnet. Dennoch: Wenn nur noch dieser Vater Schlünz in Altgrieben ist, »wo sind dann all die anderen Bewohner«?
    »Na, ekuvaiert haben sie die.« Sie sagt tatsächlich ekuvaiert statt evakuiert. »Alle hier mussten weg. Nur Vatta Schlünz hat sich jeweigert. Mich kricht hier keener raus, hatta jesacht, nur üba meine Leiche.« Sie zuckt mit den Schultern. »Zwingen kannste den zu nüscht. Ick fahr jetz imma ma hin, um zu gucken nach dem armen Kerl. Bring ihm wat zu essen und so.«
    »Wir haben einen ganzen Picknickkorb im Auto.« Hünerbein reißt die Kofferklappe auf und holt stolz den Korb heraus. »Sehnse? Überraschung! Alles für Vater Schlünz.«
    »Na, dann fahrnse doch hin.« Die alte Frau will weiter.
    »Aber die Absperrungen?«
    »Schiebense einfach weg.« Sie steigt wieder auf ihr Rad.
    »Und wenn das Hochwasser kommt?«
    »Müssense schwimmen«, lacht die Frau spöttisch, »oder nehmse sich’n Beispiel an die Vögel. Die fliegen einfach nach Altgrieben.« Sie radelt davon, und wir schauen ihr verdutzt nach.
    »Netter Menschenschlag hier«, findet Hünerbein und steigt wieder in den Wagen. »Weiter geht’s. Schieb mal die Baken weg!«
    Ein »Bitte« wäre nicht verkehrt gewesen. Ich zerre zwei Baken beiseite, warte, bis Hünerbein vorbeigefahren ist, und schiebe sie wieder zurück. Ordnung muss schließlich sein. Anschließend setze ich mich wieder zu ihm ins Auto.
    »Den können wir gleich mal befragen«, sagt Hünerbein, »diesen Schlünz. Vielleicht weiß der was über unseren Bunker.«
    Der Wald lichtet sich zu einer weiten Ebene, Felder und Wiesen in einem leicht hügligen Land. Obstbäume und wilder Flieder säumen die Straße. Und hinten taucht ein Kirchturm auf. Altgrieben.
    Vor dem Ortseingangsschild steht ein Streifenwagen mit blinkenden Rundumleuchten. Ah, denke ich, die ersten Vorboten der Hochwasserkatastrophe.
    Als wir uns nähern, schraubt sich ein fülliger Polizist in zu engem Uniformhemd aus dem Auto, setzt sich gewichtig die Mütze auf und gebietet uns mit einer strengen Handbewegung zu halten.
    Hünerbein lässt die Seitenscheibe herunter.
    »Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte!« Der Polizist trommelt ungeduldig aufs Wagendach und blickt uns misstrauisch an. »Haben Sie die Absperrung nicht gesehen? Das ist eine Ordnungswidrigkeit. Sie dürfen hier nicht fahren.«
    »Die Hauptkommissare Knoop und Hünerbein.« Er reicht unsere Dienstausweise raus. »Wir haben hier einen wichtigen Auftrag zu erledigen, und es wäre Ihrer Karriere förderlich, uns nicht dabei zu behindern.«
    Der Polizist bleibt ungerührt und gibt uns die Ausweise zurück. »Darf ich fragen, welcher Art Ihr Auftrag ist?«
    »Aber gern.« Hünerbein macht jetzt dasselbe wie Goerdeler gestern Abend. Er holt sein Handy hervor, tippt eine Nummer ein und reicht es dem Polizisten. »Sie können aber auch den Hochwasserschutzkoordinator der Länder direkt befragen. Oder wollen Sie lieber gleich den Innenminister sprechen?«
    Entnervt schließe ich die Augen. Dass der Kerl immer so unverschämt bluffen muss.
    »Schon gut.« Der Polizist gibt Hünerbein das Handy unbenutzt zurück und tritt vom Wagen weg. »Gute Weiterfahrt.«
    Erleichtert atme ich aus. Puh, das war knapp. »Was hättest du eigentlich gemacht, wenn der wirklich hätte telefonieren wollen?«
    »Pech gehabt.« Hünerbein wirft mir das Handy zu. »Hier ist leider kein Empfang.«
    Wir lachen beide prustend drauflos.

28   » DAS WIRD NICHT GUT GEHEN  mit uns.« Tante Tilly stand am Ufer des Oder-Havel-Kanals und warf einen kleinen abgebrochenen Ast hinaus aufs Wasser. »Na, wo ist das Stöckchen?«
    Der Hund wetzte los und rannte ins Wasser. Ein kräftiges Tier und ein guter Schwimmer. Aber ganz sicher kein Familienhund. Eifrig paddelte er dem zügig in der Strömung wegtreibenden Holz hinterher, packte es und ruderte zurück. Jetzt hatte er die Strömung gegen sich, doch für einen Hund war er nicht dumm. Er nahm einfach den kürzesten Weg zum Ufer und rannte dann an Land zu Tante Tilly zurück. Stolz legte er ihr den Stock zu Füßen und

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