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Mordspech (German Edition)

Mordspech (German Edition)

Titel: Mordspech (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G. Wachlin
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die weniger hippen Stadtviertel. Spätestens nach Schönholz war dann völlig tote Hose. Da saßen dann nur noch ein älteres Ehepaar und eine auffällig geschminkte Dragqueen in Tante Tillys Waggon. Gespräche wurden keine geführt. Minutenlang war nur das Rattern des Zuges zu hören. Das Ehepaar hatte aneinandergelehnt geschlafen und die Dragqueen kichernd mit dem Handy getuschelt. Sonst war alles ruhig.
    Zum Problem sollten erst die drei jungen Männer werden, die in Frohnau dazustiegen. Mit ihren glatt rasierten Kahlköpfen und den Springerstiefeln schnell als sehr weit rechts gesinnte Idioten erkennbar, hatten sie sofort begonnen, Ärger zu machen. Natürlich war ihnen der Glitzerfummel der Dragqueen aufgefallen, und sie begannen, lautstark zu pöbeln und zu schubsen.
    Das ältere Ehepaar war von dem Lärm aufgewacht und sank erschrocken tiefer in seinen Sitz. Und auch Tante Tilly hatte sich nicht mehr so recht auf ihr oberflächliches Buch konzentrieren können.
    Nicht, dass sie Angst vor ein paar Hänflingen in zu großen Bomberjacken gehabt hätte. Aber die Sache sah nach Ärger aus. Und Ärger in der Öffentlichkeit war etwas, das Tante Tilly überhaupt nicht gebrauchen konnte. Unruhig beobachtete sie die Situation.
    Die Dragqueen war offenbar geschlagen worden und weinte lautlos, während ihr ein Blutfaden aus dem Mundwinkel rann. Die Skinheads standen um sie herum und verpassten ihr abwechselnd brutale Knuffe und Stöße und zwangen sie, aus einer Flasche billigen Fusel zu trinken.
    Auffällig war der Anführer der drei. Ein spindeldürrer Typ mit dem Gesicht einer Spitzmaus, der seine hervorgehobene Stellung offenbar vor allem dem hochgezüchteten, muskulös krummbeinigen Kampfhund verdankte, den er an einer Leine bei sich führte. Das Tier war noch recht jung und wirkte erst auf den zweiten Blick gefährlich, gehorchte seinem Herrchen aber aufs Wort. Als der Mauskopf »Fass« befahl, ging das Tier sofort die Dragqueen an. Die sprang erschrocken auf den Sitz, wurde aber durch einen Faustschlag aus dem Gleichgewicht gebracht und krachte wimmernd auf den Boden.
    Mit anderen Worten: Die Situation eskalierte.
    Aus den Augenwinkeln sah Tante Tilly, dass der Mann des älteren Ehepaars unauffällig nach dem Notbremshebel greifen wollte, was unbedingt verhindert werden musste. Ein Nothalt auf offener Strecke bedeutete Aufsehen, Polizei und Personenkontrollen. Dinge, die Tante Tilly um Kopf und Kragen bringen konnten, und deshalb sprang sie auf.
    »Schluss jetzt!« Ihre Stimme überschlug sich fast. »Hört damit auf, ihr Lümmel!«
    Sofort ließen die drei kahl rasierten Männer von der Dragqueen ab.
    »Na, was haben wir denn da?« Überheblich grinsend und den Kampfhund an der Leine hinter sich herzerrend, kamen sie auf Tante Tilly zu. »Eine wütende Oma?«
    »Ich bin in der Tat verärgert.« Tante Tilly blieb in ihrer Rolle. »Vor allem aber bin ich enttäuscht und entsetzt vom Verhalten dreier deutscher junger Männer. Schämt ihr euch nicht?«
    Sie hatte gehofft, ein derart maßregelnder Appell an das Deutschsein dieser nationalistisch gesinnten Trottel würde zur Deeskalation führen, doch sie sollte sich irren. Denn die Typen bauten sich nun vor ihr auf und begannen lauthals zu lachen. Dann, unvermittelt, brüllte das Mausgesicht los:
    »Hast’n Arsch offen, Alte, oder was?« Er packte sie und knallte ihren Kopf brutal an eine der Haltestangen. »Misch dich nicht in fremde Angelegenheiten, klar?«
    »Schon gut, Junge.« Einen Moment sah Tante Tilly nichts als Sterne. »Ich will hier nur keinen Ärger.«
    »Wir wollen aber Ärger«, zischte das Mausgesicht. »Das macht uns einen Riesenspaß. – Ärger«, schrie er drauflos, und seine Kumpane brüllten mit:
    »Ärger! Ärger! Immer ärger! – Ärger! Ärger! Immer ärger!«
    Es dröhnte in Tante Tillys Ohren. Und wieder streckte sich der ältere Herr des Ehepaars nach der Notbremse.
    Tante Tilly musste handeln. Unbedingt. Jetzt und endgültig. In aller Eile ging sie die möglichen Optionen durch. Ihre Waffen waren im Rucksack, da kam sie nicht ran. Auch das Messer war in dieser Lage unerreichbar. Ihr blieb nur die asiatische Kampftechnik.
    »Finger weg von der Notbremse«, rief sie dem Mann zu, befreite sich mit einer ruckartigen Armbewegung vom Mausgesicht und fiel in eine schnelle halbe Drehung, die alle drei Skinheads mit einem einzigen gestreckten Fußtritt zu Boden kickte. »Alles unter Kontrolle!«
    Zwei der Skinheads krümmten sich röchelnd am

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