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Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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Minuten konzentrieren und hat daher bis heute kaum etwas über die Fälle erfahren. Jeder Gedanke, der ihm gerade in den Sinn kommt, scheint ihn abzulenken.
    Im persönlichen Kontakt ist Garavito verbindlich und aufmerksam, gibt sich um das Wohlergehen anderer besorgt und legt großen Wert auf einwandfreie Körperpflege und ein gepflegtes Erscheinen. Bei meinem ersten Treffen mit ihm erkannte ich ihn gar nicht, weil er so aussah, wie ich mir einen Gefängnisdirektor vorstelle: Brille, Scheitel, weißes Hemd, rasiert, Aktenstapel in der Hand. Erst als mein Übersetzer mich darauf hinwies, dass ich seit einiger Zeit neben Garavito stand, wurde mir mein Irrtum klar. Der unrasierte, struppige Mann,der von zwei bulligen Wachen umgeben war, war nicht Garavito, sondern der Gefängnisdirektor!
    Im Umgang mit den Wärtern und den wenigen Inhaftierten, von denen Garavito keine Gewalttaten zu fürchten hat, ist er freundlich, zugleich aber recht bestimmend. »Es ist erstaunlich, wie er Stück für Stück das Vertrauen seiner Umgebung gewonnen hat – ebenso wie er es mit jedem seiner Opfer tat«, formulierte der Journalist Aranguren Molina treffend, dem Garavito im Jahr 2002 in der Haft ausnahmsweise ein unangemeldetes Gespräch gewährt hatte. Diesen Eindruck kann ich nur bestätigen. Die Wärter mögen Garavito, der keine Schwierigkeiten macht und im Alltag ein netter Kerl ist. Das geht so weit, dass er, nachdem ich nach einer intensiven Gefängniskontrolle im Jahr 2005 ohne Stifte, Tonband oder Papier vor ihm stand, mir alles bereitgelegt hatte: In einem Krankenzimmer, das er zu einem Büro umgewandelt hatte, lagen für mich Leerkassetten, Kugelschreiber und ein Diktiergerät mit frischen Batterien.
    Solange Garavito über Dinge spricht, die ihm behagen, ist er offen und unverstellt. Tatsächlich hat er weder die Polizisten – abgesehen von anfänglichen Falschaussagen in den ersten Vernehmungen als »Bürgermeister« und Beschönigungen seiner Zwänge – noch mich jemals nachweislich angelogen.
    Dass er allerdings behauptet, in Freiheit »keiner Fliege« mehr etwas zuleide zu tun, ist angesichts des völligen Fehlens auch nur der elementarsten Therapie (und wohl auch mangels Therapierbarkeit) sowie einer nicht im Geringsten erkennbaren, tiefen Beschäftigung mit seinen Tatmotiven schwer glaubhaft. Er selbst ist von seiner Bekehrung zum gläubigen Christen vielleicht wirklich überzeugt – wer will das schon beurteilen –, doch aus einem pädophilen Sadisten wird durch eine Taufe kein Messdiener.
    Das zeigt sich auch an Gesprächen, die von den Teilen seines Lebens handeln, über die Garavito lieber nicht sprechen würde. Obwohl er sowohl mir als auch der Polizei gegenübereinräumt, einigen Kinderleichen die Genitalien abgeschnitten und in den Mund gesteckt zu haben, versucht er, sein Bild in der Öffentlichkeit schönzufärben. Einem kolumbianischen Fernsehteam berichtete er 2006 beispielsweise:
    »Ich habe wirklich kein einziges der Opfer missbraucht. Umgebracht ja, aber nicht missbraucht. Von den Kindern sind doch eh nur Knochen übrig, die zwei bis drei Jahre herumlagen und an denen kein Fleisch mehr ist. Wie wollen Sie da beweisen, dass diese Personen missbraucht wurden? Die Staatsanwaltschaft hat ja noch nicht einmal Spermaspuren gefunden! Ich habe einfach niemanden missbraucht oder gar vergewaltigt.«
    Diese absurde Aussage zeigt, was das Strafbefehlsverfahren ohne Verhandlung bewirkte: Garavito wurde nie öffentlich gezwungen, sich mit seinen Taten auseinanderzusetzen. Denn dass er auf seine Opfer nicht nur nach deren Tod einwirkte, sondern auch während die Jungen noch lebten, ist gut belegt.
    Ein überlebender Junge berichtete beispielsweise, wie er sich vor Garavito ausziehen musste und dann von ihm massiv geschlagen und gebissen wurde, unter anderem in die Genitalien: »Ich habe überall geblutet, und alles war zugeschwollen, auch mein gesamtes Gesicht.« Dann nahm Garavito sexuelle Handlungen an dem Kind vor. Als es versuchte zu fliehen, stach er mehrfach auf das Opfer ein und brüllte: »Du kannst nicht entkommen!« Weit über zehn deutlich sichtbare Stichnarben am Körper des Jungen sind bis heute erkennbar und belegen seine Aussage.
    Wie schon angedeutet, ging Garavitos Raserei so weit, dass sogar die Rechtsmediziner vom Zustand der Opfer geschockt waren. Eine Kollegin, die wie das oben zitierte Kind lieber anonym berichten wollte, erinnerte sich:
    »Das war das brutalste Verbrechen, das ich je auf

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