Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
von seinen Anwälten immer wieder ins Feld geführt wurde, nämlich: »Wenn ich der Täter war, warum habe ich sie dann überleben lassen und nicht ein zweites Mal geschossen?«, ist aus folgenden Gründen ad absurdum geführt:
Mit Sicherheit wäre Tesler sofort inhaftiert worden, wären auf Ursula zwei Schüsse abgegeben worden. Niemand, wahrscheinlich nicht einmal mehr die Konsulin, hätte ihm dann noch die Version vom Raubüberfall geglaubt. Einerseits hatte er ja behauptet, der Schütze habe wahrscheinlich gar nicht dieAbsicht gehabt zu schießen, andererseits soll er dann gleich zweimal geschossen und ihn überleben lassen haben?
Ein weiteres stichhaltiges Argument, warum er keinen zweiten Schuss abgegeben haben konnte, lieferten die Rechtsmediziner. Der Schuss war nicht sofort tödlich. Aber das konnte Tesler nicht wissen, denn zunächst musste Ursula mindestens einige Minuten das Bewusstsein verloren haben. Es muss also für Ilan so ausgesehen haben, als sei sie tot, was ihn veranlasst haben dürfte, die Tatwaffe sofort zu entsorgen. Nachdem er zurückgekommen war, musste er feststellen, dass die Schwerverletzte röchelte und schwer atmete. Jetzt aber hatte er keine Waffe mehr und konnte nur noch hoffen, dass sie sterben würde, ohne vorher das Bewusstsein erlangt zu haben. Nur deshalb war er vier Stunden sitzen geblieben, ohne Hilfe zu holen.
Natürlich könnte man jetzt die Frage stellen, warum er sie nicht anderweitig endgültig getötet hat. Aber wie? Erschlagen, erstechen, erwürgen oder erdrosseln? Das hätte deutliche Spuren hinterlassen! Bliebe noch ein Ersticken mit weicher Bedeckung. Aber genau das hätte die Überwindung einer Hemmschwelle bedeutet, die wesentlich höher anzusiedeln ist als die feige Abgabe eines Schusses auf eine schlafende Person. Und Tesler war feige!
Ursula Glück-Tesler wird am 10. Januar 1997 in eine Klinik nach Lima geflogen. Maria Jürgens de Hermoza begleitet Tesler persönlich zum Flughafen in Cuzco. Auf dem Rollfeld sagt er zu seiner Beschützerin, das Reisetagebuch seiner Frau sei von den Polizisten in Machu Picchu einbehalten worden, sie solle sich unbedingt um die Herausgabe kümmern. Aber das Tagebuch war leider nicht mehr aufzufinden, zumindest nicht für die Ermittler…!
Am selben Tag trifft Ursulas Bruder Michael Glück aus München ein. Im Krankenhaus fällt ihm das seltsame Benehmen seines Schwagers auf. Er weiß von seiner Schwester, dass Ilan Tesler wiederholt Versicherungsbetrügereien begangen hatte.Auch er ist misstrauisch, und unvermittelt fragt er ihn: »Ilan, warst du das?« Und Ilan reagiert nicht, wie ein Unschuldiger reagieren würde, nämlich mit Empörung oder Sprachlosigkeit, sondern antwortet ganz lapidar: »Wo denkst du hin, ich habe Ursula geliebt.«
Am 13. Januar 1997 werden die Apparaturen mit Einverständnis des Ehemanns abgeschaltet, nachdem Ursula Glück-Tesler für hirntot erklärt worden war.
Mithilfe der Honorarkonsulin kann Ilan Tesler am 14. Januar 1997 ungehindert ausreisen, obwohl er zu einer erneuten Vernehmung vorgeladen ist. Um die Überführungsformalitäten muss sich Michael Glück kümmern.
Ermittlungen in Peru, USA und Israel
Fünf Haftprüfungen waren zu überstehen, bis die Staatsanwaltschaft München I am 12. Juli 2000 die Anklageschrift vorlegen konnte. Dreizehn Rechtshilfeersuchen nach Peru, USA und Israel waren gestellt worden. In allen drei Ländern wurden die Ermittlungen in hervorragender Weise unterstützt, ganz besonders kooperativ war aber die Kriminalpolizei in Israel. Dorthin hatte die erste Dienstreise der Sachbearbeiterin und des Staatsanwaltes geführt, um Ermittlungen zum Umfeld des Beschuldigten und den dort abgeschlossenen Versicherungen zu führen sowie die Wohnung der Eltern in Rehovot zu durchsuchen.
Auch die israelische Botschaft in Berlin unterstützte die Ermittlungen der deutschen Kriminalpolizei in jeder Hinsicht. Zum ersten Mal seit Kriegsende war ein Israeli in Deutschland des Mordes beschuldigt worden. Ein heikles Thema, das muss man nicht verhehlen. Umso bemerkenswerter war die Zusammenarbeit mit den israelischen Behörden, die selbst nach mehreren Interventionen seitens der Familie Tesler objektiv und sachlich urteilten.
Eine Dienstreise führte zwei Kollegen der Arbeitsgruppe »Peru« in die USA. Mithilfe des FBI wurden wichtige Erkenntnisse zu den dort bestehenden Versicherungen gesammelt. Zahlreiche Zeugen aus dem Umfeld des Beschuldigten und des Opfers wurden vernommen. Den
Weitere Kostenlose Bücher