Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
unfreundlichen Rauch und Dampf wahrnahm«, teilt der alte Bericht mit, »wurde die Frau gefangen und später mit glühenden Zangen gerissen und auf ein Rad gelegt«.
Kurz vor der Hinrichtung wurde sie gefragt, warum sie ihren Mann getötet und geräuchert habe. Sie sagte, dass er fremdgegangen sei und man alle, die so etwas täten, »ebenso behandeln«, also töten, sollte. Der damalige Berichterstatter glaubte der Frau diesen Mordgrund allerdings nicht: »Jedermann im Ort wusste«, so schreibt er über den Ehemann, »dass er ein frommer und stiller Mann war.«
Es bleibt in diesem Fall also unklar, ob Bosheit, Hunger oder Zorn das Fass zum Überlaufen und den Mann als Räucherfleisch in den Kamin brachten. Möglich ist eine Mischung der Motive.
In den folgenden Fallbeschreibungen ist es erwiesenermaßen Hunger, der die Menschen zu Kannibalen machte.
Hungersnot und Mordlust
1638 kam es, unter anderem wegen des Dreißigjährigen Krieges, in Teilen des heutigen Deutschlands zu sehr starken Preiserhöhungen und einer schlimmen Hungersnot, in deren Verlauf sich Menschen aufaßen. Trotz der unbestreitbaren Not wurden diese Fälle polizeilich verfolgt.
So übernachtete beispielsweise ein angehender Schmied beim Metzger-Ehepaar Schicke in Hettstedt. Die nachweislich hungrigen Wirte töteten ihren Gast umgehend, zerschnitten seinen Körper, salzten die Teile in einem Fass ein und aßen die haltbar gemachten Fleischstücke nach und nach auf.
Als das Metzgerpaar den Kopf der Leiche außerhalb der Stadt auf einem Feld verscharren wollte, begegneten ihm mehrere Reiter. Da der Schädel in einem Korb lag, konnten die Reiter das grausige Gut von oben sehen – sie kassiertenden abgeschnittenen Kopf ein und brachten ihn zum Stadtrat. Der ließ den Fleischhauer samt Frau festnehmen und nach einigem Hin und Her am 6. Februar 1639 ins Ratsgefängnis werfen.
Sowohl der Metzger als auch seine Gattin verteidigten sich clever. Ihr Gast sei an einer natürlichen Todesursache gestorben, und erst danach hätten sie den Plan gefasst, den Mann zu essen. Das glaubte man den beiden aber nicht. Sie wurden daher gefoltert, was seinerzeit ein übliches Mittel war, um eine auch vor Gericht verwertbare Aussage zu erhalten. (Heute ist es nicht mehr erlaubt, Aussagen vor Gericht zu verwenden, die unter Folter erhalten wurden.)
Für die gesetzlich erlaubte Art von Folter gab es Vorschriften. Die Prozedur begann meist mit dem Zeigen der Folterinstrumente, etwa der Daumenschraube. Da das Metzger-Ehepaar aber trotz Zeigens der Schmerzen erzeugenden Geräte nicht zugab, den Schmied getötet zu haben, wurden sie zuletzt auch verwendet. Das konnten die beiden »wegen großer Mattigkeit nicht aushalten« – einige Tage später starben sie im Gefängnis an den Folgen der Folter.
Morde wie diese gab es früher öfter. Sie wurden aber nicht immer verfolgt und bestraft. In Meiningen wurden beispielsweise im Jahr 1637 mehrfach hungernde Menschen angetroffen, die zusammen mit Hunden die am Boden liegenden Leichen von schon Verhungerten aufaßen.
Die menschenfressenden Meininger hatten zuvor versucht, sich mit Kleie, Unkraut, gemahlenen Eicheln und Gras zu ernähren, indem sie aus diesen Zutaten Brot oder Brei herstellten. Teils versuchten sie auch, das Gras in Fett zu braten und so regelrecht zuzubereiten. Salz war aber zu dieser Zeit überhaupt nicht aufzutreiben, sodass die Mahlzeiten nicht nur kärglich, sondern auch ohne Geschmack waren.
Vergleichbares ereignete sich in Litauen. Dort herrschte im Frühjahr 1657 besonders in den ländlichen Regionen eine schwere Hungersnot. Es wurde so schlimm, dass laut altemBericht »die allerbesten Freunde um eines Stücklein Brot willen einander umbrachten«. Eltern schlachteten sogar ihre Kinder und aßen sie auf.
Einige Menschen in Litauen fanden an diesem aus der Not geborenen Morden aber Gefallen. Beispielsweise war ein Adliger nach einiger Zeit »das Menschenfleisch so gewöhnt, dass er die Leute auf der Straße niederschoss und deren Körper zur Speise gebrauchte«. Dieser Mann wurde zuletzt also aus Bequemlichkeit oder Mordlust zum Täter – und nicht aus Hunger. Im Haus des Mannes fand man bei der Durchsuchung eine halbe Leiche und »teils in Töpfen gekochtes, teils an einem Spieß gebratenes« Menschenfleisch. Da der Mann nicht mittellos war, wurde eine Notsituation nicht anerkannt. Er wurde, was bei Adligen selten geschah, hingerichtet.
Selbst von viel früheren Hungersnöten ist das Menschenessen
Weitere Kostenlose Bücher