Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt
man mit anderen Patienten machen kann, kann man mit mir eben nicht machen. Spritzentherapie mit Entlassung u. Kontrolle ist out , da die Produktion der Spritzen eingestellt wird. Da werden wohl Nebenwirkungen (Knochen) schuld sein.
Man hat mir vorletzte Woche gesagt, dass man schon schwere Fälle mit Tabletten entlassen hat. Auf meine entsetzte Frage wurde mir gesagt, dass es eine sehr gute Kontrolle gebe. Überlegen Sie sich das mal, das ist ein echter Hammer. Wenn das stimmt, ist kein vernünftiger Grund zu sehen, auch einen Fall wie mich mit Tabletten (als totale chemische Kastration) und einer ständigen Kontrolle (von der man mir versichert hat, dass sie praktiziert wird), nicht zu fördern u. zu entlassen. Alle Bedingungen, hundert Prozent Sicherheit der Bevölkerung, Unfähigkeit des GV [Geschlechtsverkehr; M. B.] usw. wären erfüllt.
Verstehen… werden Sie solche Verweigerung auch nicht, aber Sie werden sagen, dass man ärztlicherseits sicher andere Gründe hat. Ja, man hat sie wohl, aber ich kenne sie nicht. »Amok« bin ich nicht gelaufen, aber ich habe… alle »Überlebens«-Therapien abgebrochen, da sinnlos. Letztlich ist es meine Entscheidung, ob ich solche Behandlung als Hilfe ansehe oder als etwas, das man einem sehr ungeliebten Gast widerwillig gewährt, da man Therapieschein aufrechterhalten, aber nichts tun will ( oder kann ). Ob gut gemeint oder anders, ist nicht wichtig für die Wirkung, da beides denselben Effekt hat .
Der Patient ist Objekt, Mensch nur dann, wenn die Kriminalpolitik es erlaubt. Es ist naiv anzunehmen, dass nur ans Wohl des Patienten gedacht werde. Also hoffen wir auf die Wissenschaft. Zu Ihrem Wort: Mit Hormongaben ist nichts zumachen. Wenn männliche Hormone zugeführt werden, wächst natürlich in gleichem Maße die Fähigkeit zum GV (ohne Samen). Ein lediglich Sterilisationseffekt träte ein.
Zum Thema Sadismus ohne Sexualität. Dr. Bresser u. Dr. Lauber [zwei psychiatrische Gutachter im Verfahren, die Bartsch für schuldfähig hielten; M. B.] sind wohl auf der Welt die Einzigsten (sic!), die Sadismus von Sexualität trennen. Hunderte von Fachbüchern gibt es, ich kann es durch Empfindung bestätigen, dort steht: Es gibt keinen Sadismus ohne Sexualität. Selbst im Lexikon steht es.
Haben Sie keine Angst um mich. Ich leide an Resignation, nicht an Wut. Ich mache niemandem Vorwürfe, der Angst vor der eigenen Courage hat. Ich habe Verständnis dafür.
Natürlich werde ich auch Ihre letzten beiden lieben Briefe meinen Eltern übergeben.
So, nun muss ich aber langsam schließen.
Seien Sie bis zum nächsten Mal aufs Herzlichste gegrüßt
von Ihrem Schützling Jürgen
∗ ∗ ∗
15. April 1975
Ihnen zuliebe unterbreche ich gerne mein Bücherstudium (Magie), ein Hobby, ohne das ich, hätte ich es in den letzten neun Jahren nicht gehabt, mit Sicherheit bereits tot wäre. Das ist die schlichte Wahrheit, und schockierend materialistisch, sicher. Aber es ist nichts als die Wahrheit. Ohne diese ideale Ablenkung… (Schließlich hatte ich nicht immer meine Frau…)
Sie betonen… zu Recht oft den Passus Sicherheit. Ja, ich will nicht raus, bevor ich nicht in Ordnung bin. Aber der Punkt Sicherheit im neuen StGB ist zugunsten der Besserung auf den 2ten Platz gerückt. Das verpflichtet, oder?
Und, bei aller sachlichen Würdigung der Öffentlichkeit gilt doch eines, das Sie vergessen haben, und das genauso wichtigist: Solange bei mir (oder anderen) nicht weitergeholfen wird, solange Verantwortung gescheut wird (ich darf das sagen, da die Lockerungen in acht bis neun Stufen vor sich gehen, wobei keine Öffentlichkeit gefährdet wird, zum Beispiel halbgeschlossene Station, Ausgang nur mit drei Pflegern usw.), die keine Gefahr brächte (durch Kontrolle), solange man mir nicht gleichzeitig menschlich helfen will, solange gibt es auch keine Sicherheit für die Öffentlichkeit !
Ich bin einfach zu sensibel. Tatsache ist, dass die Stimmen, die früher von Fortschritt sprachen, tatsächlich eiskalt und klirrend geworden waren. Ich schlief erst um zwölf Uhr ein, lag heulend im Bett, nicht mehr an Hilfe glaubend, verlor die seelische Orientierung an Bezugspersonen (das sind Arzt und Psychologin schließlich) und wurde krank. Wer nicht kam, war der Arzt. Überall nur Ablehnung.
Ich war in verzweifelter Stimmung. Wurde ich gerufen, fing ich an zu zittern. Pure Angst, wo etwas helfende Hand sein sollte. Wo war die Zeit (Anfang 1973), als der Arzt zu meiner Mutter am Telefon sagte:
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