Mordsschnellweg: Kriminalstorys
konnte ich mich da verweigern?
Olaf hat uns im teuersten Hotel eingebucht. Tennisplatz, Pool – Olaf ist in seinem Element. Ich auch. Zweihundertfünfzig Euro fürs Einzelzimmer. Ein Doppelzimmer hätte es doch auch getan. Aber Olaf gibt mit vollen Händen aus, was ich mühsam erarbeite. Noch!
Ich gehe ins Bett, lese den Geschäftsbericht der Konkurrenz. Olaf geht in die Bar.
4. April
Olaf kommt erst in den frühen Morgenstunden zurück, offenbar stinkbesoffen. Ich höre ihn an der Nebentür randalieren. Beim Frühstück brüte ich über unseren Bilanzen. Olaf ruiniert die Firma. Seine Ausgaben führen uns in den Konkurs. Er liebt das Risiko. Unser Kurzurlaub ist natürlich als Geschäftsreise getarnt. Kundenbesuche im Revier. Dabei hatten wir hier vor vier Jahren nur in Gelsenkirchen einen Kunden, aber der ist längst pleite. Wenn das Finanzamt davon Wind bekommt, hängen die Steuerprüfer wie eine Klette an uns.
Er schläft bis elf. Ich inspiziere die Fahrräder, die wir uns geliehen haben. Solide Fahrgestelle. Um zwölf Uhr fahren wir endlich los. Die historischen Bruchsteingebäude im Muttental erinnern an die Blütezeit des Bergbaus. Rund um den Kemnader See. Hattinger Altstadt. Am Ruhrufer entlang bis zum Baldeneysee. Mir tut der Hintern weh. Ich verfluche Olaf. Er hat die Route ausgewählt. Fünfzig Kilometer sind zu viel für den ersten Tag, vor allem, wenn man erst mittags losfährt. Es ist schon dunkel, als wir in Kettwig ankommen. Ich bin so wütend, dass ich auf das gemeinsame Abendessen im Nobelhotel verzichte und an einer Imbissbude einen Döner verschlinge.
Olaf hat im Hotelrestaurant eine Zeche in Höhe von zweihundertachtzig Euro gemacht. Er erfindet zwei Geschäftsfreunde, deren fiktive Namen er zusammen mit meinem auf die Bewirtungsquittung schreibt. Ich hasse ihn dafür.
5. April
Olaf ist erstaunlicherweise gut in Form, trotz seines Übergewichts. Er hält gut mit. Bei den Abfahrten habe ich Angst, dass die Bremsen versagen. Wir radeln nach Mülheim und von dort nach Duisburg. Kleine Hafenrundfahrt im größten Binnenhafen Europas. Bin total erschöpft. Abends essen wir beim Türken. Plaudern über alte Zeiten. Die Firmengründung. Die erste Umsatzmillion. Seine kaputte Ehe. Fast tut er mir ein bisschen leid. Heute bin ich gnädig gestimmt. Vielleicht sollte ich den Plan fallen lassen.
6. April
Heute Morgen ist er wieder das bekannte Ekel. Lässt seine Katerstimmung an mir aus. Wir radeln zum Gasometer in Oberhausen. Ich genieße den herrlichen Ausblick über das Ruhrgebiet. Heimatgefühle.
Olaf gesteht, dass er ernsthaft überlegt, sich eine Villa am Rande von Dresden zu kaufen. Ich wittere eine Chance. Beim Picknick biete ich ihm an, seine Anteile für eine halbe Million zu kaufen. Er lacht mich aus. Nicht für eine Million. Aber es gibt für ihn keine Alternative: Er wird aussteigen müssen.
7. April
Ich habe Muskelkater. Wir radeln am Rhein-Herne-Kanal entlang nach Bottrop. Am späten Nachmittag sind wir in Essen. Olaf hat im Restaurant der Zeche Zollverein einen Tisch bestellt. Das Essen ist vorzüglich, aber Olaf hängt mir in den Ohren mit seiner neuen Flamme. Ein Träumer. Sie wird ihn ausnehmen. Warum hat sie sonst einen zwanzig Jahre älteren Mann mit Bauch und Haarausfall genommen? Er will sie ins Geschäft nehmen. Nur über meine Leiche. Mein Widerstand passt ihm gar nicht. Ich solle auf seine Inter essen Rücksicht nehmen. Als ob er jemals auf meine Rücksicht genommen hätte …
Ich kann nicht einschlafen. Meine Gedanken sind bei meinem Plan. Ich werde kein Risiko eingehen. Es wird nach einem Sportunfall aussehen. Ich werde trauern. O Gott, was werde ich gerne trauern. Alles spult sich vor meinem geistigen Auge ab – alle entsetzlichen Einzelheiten. Ich werde auf seiner Beerdigung sprechen. Seine guten Seiten hervorheben. Hat er überhaupt eine einzige gute gehabt? Ich höre ihn nebenan schlaflos hin- und hergehen. Ob er etwas ahnt?
8. April
Es regnet. Es gießt. Die Straßen stehen unter Wasser, der Himmel ist eine graue Pampe. Kein Gedanke an eine Radtour. Ich bin verzweifelt. So muss es einem Sportler gehen, der kurz vor dem nahen Sieg disqualifiziert wird. Ich fühle ein tiefes Loch in meinem Hirn, kann keinen klaren Gedanken fassen. Bestelle mir zum Frühstück schon einen Kognak. Olaf ist auf dem Zimmer geblieben. Auch ihm scheint der Wetterumschwung aufs Gemüt geschlagen zu sein. Was mache ich, wenn es bis zum Abreisetag nur
Weitere Kostenlose Bücher