Mordsschnellweg: Kriminalstorys
ihren unchristlichen Neid ausleben konnte, klingelte das Telefon. Sie nahm auf. »Katholischer Kindergarten …«
»Sarah! Sarah!«, kreischte es ihr aus dem Hörer entgegen. »Das ist wie Weihnachten …«
Endlich erkannte sie die Stimme: Hildegard, ihre beste Freundin seit der Schulzeit. Gemeinsam hatten sie im weißen Kleidchen die heilige Kommunion empfangen und waren später, etwas weniger fromm gekleidet, zusammen in die Tanzschule gegangen. Und jetzt waren sie Kolleginnen. Hildegard leitete einen Kindergarten in Hombruch. Den katholischen natürlich.
»Was ist wie Weihnachten!?«
»All diese Geschenke!«, jubilierte Hildegard.
»Welche Geschenke?«
»Mensch, das müsstest du sehen. Als ich den Kindergarten aufschließen wollte, kam ich erst gar nicht bis zur Tür durch. Alles voller Kartons. Spielgeräte, Bausteine, Buntstifte. Und obendrauf ein Schild: Fröhliche Weihnachten! Ein unbekannter Spender! «
Sarah warf den Hörer auf die Gabel und stürzte zu dem Haufen Kartons. Zum dritten Mal durchsuchten sie und Julia alle Kisten, prüften die Pappen von außen und sahen sogar im Briefkasten nach. Nichts. Schließlich schalteten sie die Außenbeleuchtung ein und rannten vor die Tür. Und tatsächlich: Da hing, von einem Windstoß in die Büsche geweht und inzwischen klatschnass, ein Zettel. Die Schrift war fast völlig verwischt, aber das letzte Wort konnte sie noch entziffern: Spende!
Ein Wunder war geschehen.
3
Pfarrer Hagedorn war in dieser Hinsicht etwas skeptischer, als – lange nach dem Frühstück – sein Telefon anschlug und die Haushälterin ihm den Hörer an den Lehnstuhl brachte, in dem er gewöhnlich den Sportteil las. Da sich Sarah Münsters Aufregung in der Zwischenzeit ein wenig gelegt hatte, war sie in der Lage, einen halbwegs zusammenhängenden und verständlichen Bericht durchzugeben. Der Pfarrer hörte geduldig zu und unterbrach sie erst, als sie das Wort ›Wunder‹ laut aussprach.
»Sarah, mit diesem Begriff würde ich etwas vorsichtiger umgehen. Glauben Sie, dass der Herr höchstselbst diese Pakete gepackt und bei euch abgeliefert hat? Bestimmt nicht. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er einen Engel mit dieser Aufgabe betraut hat. Nein, ich vermute, dass irgendein guter Mensch vor Weihnachten unverhofft zu Geld gekommen ist und diesen Wohlstand nun – ganz im Sinne des Gebots der Nächstenliebe – mit uns teilen möchte. Wir sollten uns darüber freuen, dass es in dieser egoistischen Zeit noch so etwas gibt, und diesen guten Menschen in unser Gebet einschließen.«
»Und was machen wir nun mit all den Spielsachen?«
Der Pfarrer lachte: »Das fragen Sie, Sarah? Was macht man wohl in einem Kindergarten mit Spielsachen?«
Diese Frage hatten die sechzig Kinder der Einrichtung schon beantwortet. Sie malten, bauten und würfelten wie schon lange nicht mehr. Die größeren Jungs hatten in der Eingangshalle mit Stühlen eine Rennstrecke markiert, auf der sie nun die erste Kindergartenmeisterschaft auf bobby car austrugen.
Wunderbar, dachte Sarah. Alles, was sie für diesen Dienstag an pädagogischen Bespaßungsmaßnahmen geplant hatten, konnten sich die Erzieherinnen für einen späteren Termin aufsparen. Die Gelegenheit musste man nutzen. Sie ging in die Küche und warf die Kaffeemaschine an. Fünf Minuten später standen die Frauen beisammen, schlürften den heißen Kaffee und lächelten sich glücklich an.
»Nein!«, schrie plötzlich eine Jungenstimme. »Mit dem beschissenen Polizeiauto fahre ich kein Rennen. Bei der Formel 1 gibt es nämlich keine grünen Wagen. Ich will einen von den beiden Ferraris!«
»Dennis!«, rief Julia, doch Sarah hatte ihre Tasse bereits abgesetzt: »Ich geh schon.«
Es war höchste Zeit: Der kleine Dennis stand vor einem deutlich größeren Jungen und hielt ihm die Faust vors Gesicht. Mit der anderen Hand zog er an dem roten bobby car , das der andere nicht loslassen wollte.
»Dennis!«, rief nun Sarah und kniete sich neben den kleinen Rabauken. »Du bist die ganze Zeit mit einem der roten Wagen gefahren. Jetzt sind auch mal andere dran …«
»Ich will aber nicht!«, schrie Dennis. »Warum hat uns dieser gute Mensch bloß das beschissene Polizeiauto geschenkt? Zu einem echten Rennen gehört doch auf jeden Fall ein Mercedes Silberpfeil.«
»Ja, das stimmt«, sagte die Erzieherin und streichelte dem Jungen tröstend die wuscheligen Haare. »Aber wir sind hier erst bei der Formel K. K wie Kindergarten. Um ein
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