Mordsschnellweg: Kriminalstorys
Haar. »Es war zum Schießen komisch!«
Eberhard setzte die Tüten ab und massierte seine Finger. »Gut, dass man mit Robert so etwas machen. Der ist für jeden Spaß zu haben.«
Felicia nickte. »Wenn man am 1. April Geburtstag hat, muss man eben mit allem rechnen!«
Die drei prusteten los. Felicia kullerten Lachtränen über die Wange.
Am Fenster rauschte eine dunkle Gestalt vorbei. So schnell, dass keine der drei Personen sie überhaupt bemerkte. Und der dumpfe Aufprall vor dem Eingang wurde von dem Gelächter im Treppenhaus übertönt.
Reinhard Junge: Bye -bye, Brunhilde
1
Der Angriff kam völlig überraschend.
Eben noch hatte es nichts anderes gegeben als das Rauschen der Brandung, das Rascheln im Dünengras und den warmen, blauen Himmel. Dann stapften plötzlich schwere Schritte heran, eiserne Fäuste rissen mich hoch und eine Salve von Fragen betäubte mir Ohren und Gehirn: »Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Warum ist mein Frühstück nicht fertig? Hast du vergessen, dass in zwanzig Minuten mein Bus fährt?«
Ich kapiere gar nichts und schlage die Augen auf, erwarte noch immer die Mafiosi aus dem letzten Tatort. Doch die Wirklichkeit übertrifft jeden Albtraum: Vor mir steht mein Weib, und wenn Brunhilde wütend ist, kennt sie keine Verwandten.
»Was sind das für Manieren? Warum brennt das Licht? Seit wann wird in diesem Hause im Sessel geschlafen?«
Mein Achselzucken kommt wohl eine Spur zu schnell, um echt genug zu wirken. Sofort fliegt Brunhildes Blick zum Schreibtisch: »Hast du etwa …«
Automatisch schwenken meine Augen mit, doch der Tatort ist sauber – das einzige verdächtige Objekt ist der Sportteil der Morgenzeitung.
»Also los! Mach voran! In zwanzig Minuten muss ich los!«
Meine sterbliche Hülle ist noch schneller in der Küche als mein Bewusstsein. Gut getrimmt fülle ich Wasser in den Tank und Kaffeepulver in den Filter, drücke das rote Knöpfchen und hole aus dem Schrank, was zum Frühstück gebraucht wird. Während die ersten Tropfen in die Kanne plätschern, rauscht irgendwo in der Tiefe unserer Gemächer die Wasserspülung. Das Geräusch verrät mir, dass Gattin jetzt gut im Zeitplan liegt – der erste klare Gedanke seit dem Erwachen. Um die Rückkehr ins Leben zu feiern, greife ich zu den Zigaretten, rauche eine an, will genießen …
»Habe ich dir nicht tausendmal gesagt, dass du in der Küche nicht rauchen sollst? Der Qualm zieht in die Lebens mittel – und deine Kinder werden sich mit dem Zeug ver-giften.«
Ich nicke, setze die Mordwaffe außer Funktion, gieße Gattin den Kaffee ein und öffne den umweltfreundlichen Plastik topf mit der Diätmargarine.
»Was willst du draufhaben, Liebste? Marmelade, Honig, Käse?«
Gattin färbt sich gerade die Lippen – sattes Lila ist angesagt – und produziert hinter dem Handspiegel nur einen Würgelaut. Ich tippe auf Dauerwurst, und als der Lippenstift auf die Tischplatte klappert, schiebe ich den fertigen Teller hinüber.
Gattin greift zu, findet aber noch vor dem ersten Bissen Zeit, um das unterbrochene Verhör fortzusetzen: »Wieso bist du eigentlich so früh aufgestanden? Oder hast du die Nacht durchgemacht? Videos angeguckt? Einen Krimi gelesen? Oder hast du etwa …«
Hastig schüttele ich den Kopf – den nächsten Gedanken darf sie nicht zu Ende stricken: »Gelesen, Liebste, wirklich nur gelesen.«
Sie beäugt mich misstrauisch, kaut endlich, schluckt sogar zwei, drei Bissen hinunter, ehe sie den Rest der Schnitte auf den Teller wirft: »Ekelhaft! Plockwurst am Morgen! Wie oft soll ich dir noch sagen …«
»Verzeih mir, Liebste«, knirsche ich und senke mein sündiges Haupt. »Ich muss etwas falsch verstanden haben.«
Sie sieht mich so scharf an, dass ich schon das Schlimmste fürchte, aber dann beugt sie sich über den Tisch und tätschelt die rechte Hälfte meiner Bartstoppeln: »Gar nicht so einfach, mein Bester, was? Aber es wird schon werden! Noch ein, zwei Jährchen, dann bist du als Hausmann perfekt.«
Gattin lächelt noch etwa drei Zehntel einer Sekunde, ehe sie auf die Uhr blickt, aufspringt und nach dem Jäckchen greift. Bevor der letzte Knopf geschlossen ist, habe ich mich in der Diele aufgebaut, ihre Aktentasche in der Hand, einen Kuss auf den gespitzten Lippen.
»Danke, mein Bester. Bis später!«
2
Gerädert lasse ich mich am Esstisch nieder, greife zur Kaffeetasse und zur lang ersehnten Zigarette. Ob der Achselschweiß noch aus der
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