Mordsschnellweg: Kriminalstorys
Arbeitszimmer.
»So ist das also«, sagt Gattin leise, während sie langsam näher kommt, ihre kalten Augen auf den Text richtet und die Lippen zusammenpresst, als hätte ich von ihr das Perverseste verlangt, das sie sich vorstellen kann. »So ist das also«, wiederholt sie endlich ihre einleitenden Worte und pumpt dann so viel Luft in die Lungen, als wollte sie alle Vulkane dieser Welt ausblasen.
»Ich schufte mich Tag für Tag in der Schule ab, ertrinke in einer Flut von Korrekturen, Konferenzen und Kochwäsche, wische jede dritte Nacht im Halbschlaf Babypisse weg – und was macht mein Gatte in der Zwischenzeit? Mir helfen? Ach nein – er webt heimlich am Banner seiner Unsterblichkeit!«
Ich suche nach einer passenden Antwort, aber mein Kopf ist leer. Da ist nichts – kein mutiger Spruch, keine Ausrede, keine Entschuldigung. Nichts. Stattdessen sehe ich tatenlos zu, wie ihre manikürten Finger die Datei schließen, den Datenschredder anklicken, ihn auf ›Dreimal überschreiben‹ konditionieren und ihm dann mein Exposé in den gefräßigen Rachen schleudern.
»So!«, sagt sie schließlich und tritt ganz nahe an mich heran. »Da war mal ein Exposé. Unwiderruflich gelöscht. Und du gehst jetzt einkaufen – die Liste liegt schon auf dem Esstisch. Danach reparierst du das Schloss am Schuhschrank, bringst die Kinder ordnungsgemäß ins Bett und füllst endlich die Steuererklärung aus. Haben wir uns verstanden?«
Sie dreht ab, mit einer Grazie, die alle Verachtung dieser Welt zum Ausdruck bringt, und ich atme bereits auf – zu früh, wie sich Sekunden später zeigt.
»Und noch etwas!«, sagt sie, schon auf der Schwelle, über die Schulter hinweg: »Wenn du noch einmal bei der Erfüllung deiner Pflichten schlampst – dann kannst du sehen, woher du am Ersten dein Haushaltsgeld bekommst!«
Die Tür donnert mit einer solchen Wucht gegen die Zarge, dass sechshundert Meter unter unserer Wohnung ein paar alte Kohlenflöze in sich zusammenstürzen und das ganze Haus erbeben lassen.
Wenn ich mich recht entsinne: Meinen ersten Krimi fand sie noch richtig gut. Ein schreibender Gatte – das war doch was. So etwas putzt ungemein, wenn sie sich mit ihren Kolleginnen ausnahmsweise mal über die geistigen Potenzen ihres Gatten unterhält. Und sie hat sogar ein Kapitelchen zur Probe durchgelesen und mir vor lauter Rührung am Ende eine ihrer schönsten Metaphern geschenkt.
Beim zweiten Krimi war das schon anders. Den hat sie glatt ignoriert. Als ich ihr das Büchlein stolz überreichte, eingewickelt in rosa Seidenpapier und mit einer Widmung des Autors versehen, steckte Gattin das Päckchen ungeöffnet in die große Kramkiste, die in der Abstellkammer parkt, und sah mich voller Abscheu an: »Aber in Zukunft lassen wir die alberne Schreiberei – gelt?«
»Aber …«
»Kein Aber, mein Bester. Es sei denn …«
»Ja?«
»Du bleibst zu Hause und machst das bisschen Haushalt für uns. Und wenn dir dabei noch Zeit bleibt, abends vielleicht – dann kannst du ja hin und wieder ein Kapitelchen schreiben. So für dich, als Erinnerung …«
Ich Idiot habe damals Ja gesagt und allen Ernstes geglaubt, ich könnte es trotzdem schaffen, so wie einst Galilei seine Discorsi bei Kerzenlicht aufs Papier gekritzelt hat. Denn der dritte Krimi, sagt man, würde der entscheidende sein. Er könne den großen Durchbruch bringen.
Fassungslos schüttele ich den Kopf: Ich bin in die Falle getappt. Kein Durchbruch zum Olymp, sondern ein Durchfall ins Nirwana. Auf der ganzen Linie.
8
Als ich vom Einkaufen zurückkomme, durchströmen plötzlich Glückshormone meinen Körper. Meine Gattin ist da, wo sie nie mehr freiwillig verweilen wollte: am Sandkasten hinter dem Haus, dem Hunde- und Kinderklo. Sie plaudert ausgelassen mit drei Frauen, während deren Blagen meine Kinder mit Sand bewerfen. Ich tue so, als ob ich das alles nicht sähe, und krame meinen Haustürschlüssel aus der Jackentasche.
Vier pralle Plastiktüten am rechten und drei volle Jutetaschen am linken Arm – so keuche ich die Treppen hinauf.
Mit zitternden Händen öffne, nein: erbreche ich die Wohnungstür, lasse die Tüten noch im Flur fallen, hetze an den Schreibtisch und starte den Computer neu – endlich weiß ich, wie mein neuer Krimi aussehen soll.
Exposé
Die Nacht des Jägers (Arbeitstitel)
Im Mittelpunkt des Thrillers steht der unbestechliche Steuerfahnder Rainer Gippert. Er soll die Finanzen des Bochumer Speditionsunternehmens
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