Mordsschock (German Edition)
die wüstesten Schimpftiraden entgegen, die mir einfallen. Danach geht es mir etwas besser, und ich kann zum sachlichen Teil übergehen. „Ich mag es nicht, wie deine Freunde Vic ansehen. Und dieses fummelnde Schwein bekommt Hausverbot!“
„Daran kannst du mal sehen, dass deine Schwester in strenge Hände gehört. Wenn das Früchtchen erwachsene Kerle anmacht, wo soll das enden? Es ist das Beste, sie wird in einem Internat angemeldet, wo sie Disziplin lernt.“
„Internat kommt nicht infrage! Das ist ja wohl nicht ihre Schuld, wenn ...“
Ken sieht mich beschwörend an. „Nina, kapierst du nicht, was ich für uns tue? Ich bringe die Menschen auf unsere Seite! Was glaubst du, wenn ich erst mal Bürgermeister bin, wie wir dann dastehen!“
„Ich weiß nicht, was das mit uns zu tun hat. Ich finde, es zerstört alles, was uns vor Kurzem wichtig war. Warum musst du Bürgermeister werden?“
Ken überhört meine Einwände. Oder er hat sie nicht verstanden. „Jedenfalls kann deine unverschämte Schwester nicht alles kaputt machen, was ich mühsam aufbaue! Ich dulde das nicht!“ Etwas leiser, aber unmissverständlich äußert er: „Das sollte vor allem in deinem Interesse sein!“
Einen Moment lang taucht Ehrhardts blutüberströmter Körper vor meinem inneren Auge auf. Und zum ersten Mal hasse ich Ken!
Eine hünenhafte Silhouette zeichnet sich vor der Haustür ab: meine Exlieblingskollegin Gundula! Das bedeutet nichts Gutes. Ich versuche, mich zu erinnern, was mir die Sterne für den heutigen Tag prophezeien, aber es fällt mir nicht ein.
Neugierig streckt Gundula ihren langen Hals durch den Türspalt und erwartet, dass ich sie herein bitte. So würde es der Anstand gebieten. Wir haben Temperaturen um den Gefrierpunkt. Zitternd vergräbt Gundula ihre Hände in den Taschen ihres grün-gelb karierten Wollmantels. Ich habe leider wenig Anstand. Sie zieht einen Notizblock aus ihrer Umhängetasche.
„Willst du ein Interview von mir?“ Ich kuschle mich eng an den kleinen Heizkörper im Flur neben der Tür.
Gundula stößt eine rauchige Atemwolke aus und pustet ihre erfrorenen Fingerspitzen warm. Eine letzte Demonstration, um mir zu signalisieren, sie in die gute Stube einzulassen.
Ich reagiere nicht. Kann mir vorstellen, wie meine Exkollegin danach giert, unsere Inneneinrichtung zu sezieren.
Ihr von der Kälte gerötetes Gesicht nimmt langsam den typischen Gundula-Giftig-Ausdruck an. „Sagt dir der Name Ilse Walter was?“, katapultiert sie ihre Bombe ins Schwarze.
Meine Alarmglocken schrillen. Die Heizung brauche ich nicht mehr. Ruhig bleiben und nichts anmerken lassen! Ich bemühe mich um einen gleichgültigen Tonfall: „Natürlich! Was ist mit ihr?“
„Sie hat nach dir gefragt, und weil du uns ja leider verlassen musstest …“, Gundula verdreht ihre Glupschaugen hinter den Brillengläsern, „habe ich mich um sie gekümmert. Sie erzählte interessante Dinge.“
Ich muss Zeit gewinnen! „Ach, das glaube ich gerne. Ich wäre auch beinahe auf die Frau reingefallen. Wenn du ihre Behauptungen nachrecherchierst, stellst du fest, dass sie spinnt.“ Ich senke die Stimme. „Im Vertrauen, deswegen haben sie sie auch im Rathaus rausgeschmissen.“ Ich tippe mir an die Stirn, um Gundula zu überzeugen.
So leicht lässt die sich nicht in die Irre führen. „Mir erschien sie ganz normal. Nun, ich will es kurz machen.“ Vorwurfsvoll hopst Gundula in ihren knallroten Stiefelletten auf der Fußmatte hin und her, um ihre krummen Eisbeine aufzutauen. „Sie behauptet, bei der Grundstücksverteilung am Gottesanger sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Übrigens erzählte Wagner mir, du hättest bereits vor längerer Zeit an dieser Geschichte gesessen ...“
„Ja, hat sich alles als haltlos rausgestellt. Ist nichts dran!“
Gundula dreht ihren Kopf übertrieben in Richtung unseres im fahlen Winterlicht dahindämmernden Gartens, der momentan außer gefrorenem Matsch, kahlen Bäumen und neblig-dunstiger Eisluft über der Tale nicht viele Attraktionen zu bieten hat. „Ihr wohnt nicht schlecht. Dein Mann hat sich rechtzeitig das große Los gesichert.“
„Gundula, was willst du? Es strömt zu viel Kälte ins Haus. Heizöl ist teuer!“
„Ich denke an einen schönen Artikel über die stolzen Grundstücksbesitzer am Gottesanger. Dazu ein nettes Foto: du und dein Mann vor eurer Villa, im Hintergrund der Fluss. Das wird unsere Leser brennend interessieren.“
„Du wusstest nie, was die Leser
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