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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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manchmal schwerer bei euch?“
    „Also, dumme Frauen gibt es bei uns natürlich sowieso nicht“, Ken hustete gekünstelt, „und die klugen, du weißt selbst am besten, dass die jeden Mann um den Finger wickeln.“
    „Hat jemand von euch Christine Riecken gehasst?“
    „Keine Ahnung. So genau kannte ich sie nicht. Sie war, glaube ich, nur ein Jahr bei uns.“
    Anscheinend hatte niemand diese Frau wirklich gekannt. Jeder, mit dem ich bisher gesprochen hatte, behauptete, sie nur flüchtig zu kennen. Vielleicht war sie ihren eigenen Eltern fremd geblieben?
    „Ihre Eltern glauben nicht an Selbstmord. Sie sagen, sie sei nicht depressiv gewesen.“
    „So, ich habe sie aber anders erlebt. Meistens finster, nachdenklich und in sich gekehrt. Verständlich, dass die Eltern über ihren Tod geschockt sind und die Wahrheit nicht akzeptieren wollen. Aber nach Auffassung der Polizei war es eindeutig Selbstmord.“
    „Wie bei Sebastian und Peter?“
    „Ein trauriges Kapitel für unsere Partei. Ich weiß nicht, was in diese sehr jungen Leute gefahren ist? Die verkehren in anderen Kreisen als ich.“
    „Ist es nicht hart, die Fraktionsarbeit und den Job im Rathaus unter einen Hut zu bekommen?“ Ken arbeitete im Hauptberuf im höheren Verwaltungsdienst im Rathaus.
    „Natürlich habe ich nicht so viel Freizeit wie andere, aber …“, er zog meine Hand zu sich rüber, „ich weiß sie besser zu nutzen!“ Die Lachfältchen um die Augen glätteten sich, seine Stimme wurde ernster. „Ich denke, die Arbeit für die Partei zahlt sich aus. Und wer taktisch vorgeht, gute Ideen umsetzt und so, kann nach ganz oben gelangen.“
    „Bist du doch als stellvertretender Fraktionsvorsitzender!“
    „Ja, dafür habe ich massenhaft Plakate in meinem Leben geklebt.“ Die Lachfältchen kräuselten sich wieder. „Ist das ein Interview oder ein Verhör?“
    „Bilde dir bloß nichts ein! Wenn mich ein Mann zum Essen einlädt, will ich wissen, mit wem ich es zu tun habe. Warum ausgerechnet für die Konservativen?“
    „Aus Protest!“
    „He?“
    „Meine Eltern waren eingeschworene Sozis, so richtige rote Socken. Wir wohnten in einer kleinen Wohnung in Barmbek. Das war damals ein echtes Arbeiterviertel. Über diesen Tellerrand guckten sie nie. Für sie und ihre Freunde war alles, was nach Kapitalismus roch, verdächtig. Vater arbeitete als Gabelstaplerfahrer in einer Fabrik. Mutter kümmerte sich um den Haushalt. Ich durfte die Realschule besuchen, darauf waren sie ungeheuer stolz. Mehr kam nicht infrage. Manchmal besuchte uns Vaters Bruder. Er fuhr einen knallroten Capri, trug teure Anzüge und rauchte dicke Zigarren. Hinter seinem Rücken tuschelten meine Eltern von krummen Geschäften und schüttelten missbilligend ihre Köpfe. Sie taten so, als ob jeder, der es zu etwas mehr gebracht hatte, eine Bank ausgeraubt hätte. Vaters Bruder beeindruckte mich. Er schenkte mir ein Modellflugzeug, ein Schweizer Taschenmesser und einen Lenkdrachen. Ich wünschte mir, eines Tages auch einen dicken Schlitten zu fahren und fette Havannas zu rauchen.“
    „Mit dem Auto hat es geklappt.“
    „Ja, und aus Zigarren mache ich mir nichts. Ein Klassenkamerad war Mitglied in der Jungen Union. Er schwärmte von tollen Partys, hübschen Frauen und den Luxusanwesen, wo sie sich regelmäßig trafen. Das waren andere Kreise als die Freunde meiner Eltern. Leute mit Geld, Einfluss und Ansehen engagierten sich für die Konservativen. Als ich volljährig war, trat ich in die Partei ein und brach zum Entsetzen meiner Eltern aus ihrem Milieu aus.“ Ken imitierte die strenge Stimme seiner Eltern: „‚Junge‘, hielten sie mir ständig vor, ‚es ist nicht gut, etwas Anderes, Besseres sein zu wollen!‘ Ich machte die Lehre, schüttelte ihren Mief ab und landete im Rathaus von Rosenhagen, ackerte in meiner Freizeit für die Partei.“
    „Sind deine Eltern jetzt stolz auf dich?“
    „Vor zehn Jahren gestorben. Beide kurz nacheinander. Ich habe ihnen manchmal Geld zukommen lassen, aber sie wiesen es zurück.“ Ein schmerzliches Kapitel in seinem Leben? Er biss sich auf die Oberlippe und kaute selbstvergessen.
    Ich spürte ein unsichtbares Band zwischen uns. Es war stärker als die bisherigen Frotzeleien. Diese Hinterhofsolidarität der Kinder, die neben Mülltonnen spielten und mit nach billigem Fusel stinkenden Dosen kickten. Ken hatte es rausgeschafft, ich dagegen hing irgendwie immer noch im Hinterhof.
    „Durch meine Heirat mit Sylvie kletterte ich eine Sprosse

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