Mordsschock (German Edition)
lauthals „I’m singing in the rain“.
Einige Leute, die eilig mit ihren Schirmen an uns vorbeiliefen, tippten sich an die Stirn. So ein alberner Geck! Ich sprang gemeinsam mit ihm durch den Regen, benutzte den Schirm als tänzerische Requisite und steppte über den Bürgersteig.
Der Zauberer wirbelte zu einer Abschlusspirouette herum und fragte: „Wie wäre es jetzt mit Pommes rot-weiß und Currywurst?“
Kapitel 18
Unheil folgt Glück manchmal direkt auf dem Fuß. Voller, der morgens wegen seines großen Erfolges noch wie besoffen war, wurde mittags ganz schnell ernüchtert. Und viel mehr! Am Ende verschwand er in die Küche, um bitterlich zu weinen.
Er hockte auf dem Fußboden, und alle sagten kopfschüttelnd: „Voller, wie konntest du nur?“
Ein Anruf und ein Fax schmetterten ihn zu Boden. Der Leiter der Polizeiwache hatte bei Wagner angerufen und ihm vorgeworfen, Fakten zu verbreiten, die niemals von der Polizei bestätigt worden wären. Er verlangte eine Gegendarstellung und eine Benachrichtigung der anderen Medien, die die Geschichte ja alle von uns übernommen hatten. Das Gespräch verlief offensichtlich auf beiden Seiten erregt.
Der Chef zitterte am ganzen Körper, als er sich Voller schnappte. Er raste und tobte, sodass ich dachte, Wagner würde auf der Stelle in seine Einzelteile zerspringen. Nachdem er Voller durch den Fleischwolf gedreht hatte, erfuhren wir, dass unser Praktikant in seinem Eifer nur die lapidaren Aussagen der Clique über angebliche Sexpraktiken im Auto zur Unfallursache erklärt hatte. Von der Polizei war ‚Sex bei Tempo 140‘ niemals bestätigt worden.
„Aber sie trug nur einen Slip. Die Sache war klar“, verteidigte Voller sich jämmerlich.
„Über so viel Hirnmasse müsstest selbst du verfügen, dass man auf grobe Vermutungen hin keine Geschichte aufzieht“, giftete Gundula den armen Voller an.
Wagner bekam erneut einen schrecklichen Wutanfall, als Herbie ihm ein Fax von den Anwälten der Eltern der Verunglückten in die Hand drückte. Sie drohten, den Verlag wegen übler Nachrede zu verklagen, forderten eine öffentliche Wiedergutmachung und saftiges Schmerzensgeld.
Der Chef drehte sich wie von Sinnen um die eigene Achse. Letztendlich war nicht Voller, sondern er für den Inhalt verantwortlich. Und dass er vor lauter blinder Begeisterung den Wahrheitsgehalt nicht gegengecheckt hatte, würden auch die in Flamstadt kapieren.
Den Schmerz auf die Spitze trieben die beiden Privatsender, die bei uns gefilmt hatten. Sie rückten erneut mit ihren Kameras an. Voller sollte sich bei ihren Zuschauern öffentlich vor laufender Kamera entschuldigen. Eine scheußliche Sache!
Voller schloss sich auf der Toilette ein, während die Fernsehteams bei uns in der Redaktion umherwuselten. Wagner hatte geistesgegenwärtig einen wichtigen Termin und befand sich außer Haus.
„Voller, mach auf!“ Herbie und ich hämmerten gegen die Klotür.
„Sei ein Mann und stell dich den Hyänen! Alle werden dich wieder bewundern. Nämlich wegen deiner Tapferkeit, Fehler zuzugeben.“ Ich redete mit Engelszungen.
Voller rührte sich nicht.
Im Hintergrund hörte ich einen Fernsehmann drängeln: „Wann ist der denn nun soweit?“
„Er kommt sofort“, beschwichtigte Gundula.
„Du kriegst Pickel, wenn du dort weiter schmorst“, appellierte ich an seine Vernunft. Mit Erfolg.
Zögerlich drehte sich die Klinke der Klotür. Leichenblass mit tiefen Rändern unter den Augen trat Voller den wohl schwersten Gang seines Lebens an.
„So ist es richtig! Zeig Courage!“ Herbie klopfte ihm auf die Schulter.
Voller sagte kein Wort. Geistesabwesend lief er an uns vorbei direkt auf die Kameras zu, ließ sich abpudern und trat ins Scheinwerferlicht.
„Das kann ich nicht mit ansehen“, murmelte Herbie und ging mit dem ebenfalls verstörten Jelzick eine rauchen.
Voller sprach gefasst, wenn auch seine Stimme leicht zitterte. Er schonte sich nicht, beichtete der Fernsehnation, voreilige Schlüsse aus Spekulationen und Vermutungen gezogen und dadurch die Unwahrheit geschrieben zu haben. Leise und unauffällig, ganz gegen seine Gewohnheit, verschwand er nach dem Fernsehinterview.
Ich verstand, dass er allein sein wollte.
Einer der Fernsehfritzen fragte mich: „Wo ist Ihr Chef? Warum forscht der nicht nach, ob die Geschichten, die seine Praktikanten verbrechen, wasserdicht sind?“
Ich ging auf den Typen zu, stellte mich zwei Zentimeter vor ihm hin, atmete seine Knobifahne ein und blickte ihm
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