Mordsviecher
Düngemitteln zum Beispiel, um anschließend in geheimen Labors vor Ort wieder ausgewaschen und zu reinem Kokain verarbeitet zu werden.
Sie glaubte sich zu erinnern, dass die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht von vier Millionen regelmäßig koksenden Europäern gesprochen hatte. Einer davon war wohl Kilian Stowasser gewesen. Im schönen harmlosen Eschenlohe. Und der hatte mit Sicherheit genug Möglichkeiten gehabt, an Drogen zu kommen. Vielleicht hatte die Nachbarin zufällig den Nagel auf den Kopf getroffen. Was war denn in den nächtlichen Lkw gewesen? Tiere, Daunen, Drogen?
Irmi rief Hasibärchen an und bat ihn, das Areal auf Spuren von Kokain zu untersuchen und nach einem blutigen Verband. Ja, sie bat ihn, denn drängen dufte man ihn nicht. Sonst hätte der kapriziöse Kriminaltechniker, der ebenso brillant wie mimosenhaft war, wieder am Rande eines Nervenzusammenbruchs gestanden.
Gerade kurvte sie den Ettaler Berg hinauf. Das Kloster versank in den tief hängenden Wolken, diffus war das Licht, ebenso diffus wie der Umgang der katholischen Kirche mit der Missbrauchsproblematik. Klöster waren wie Irrgärten, es gab so viele geheime Gänge und Schlupflöcher – baulich gesprochen und im übertragenen Sinne. Doch genauso hatte die Kirche seit Jahrhunderten agiert, und so würde sie sich auch weiter retten, dachte Irmi.
Als sie in Oberammergau in das kleine Sträßchen am Lüftlmalereck einbog, empfand sie den Standort irgendwie als skurril. Wer erwartete hier inmitten von Schnürlkasperl und anderem Schnitzwerk Reptilien?
Der Schlangenflüsterer war gerade dabei, eine Schulklasse zu verabschieden. Ein kleiner Junge sagte hochwichtig und stolz: »Des sag i meiner Mama, dass Ringelnattern gar ned gefährlich san und dass ma von der Kreuzotter aa ned glei stirbt.«
»Nein, da müssten schon fünf Stück gleichzeitig herzhaft zubeißen«, meinte der Experte und nickte Irmi zu.
»Aber do wo mein Onkel wohnt, in Australien, is alles giftig!«, rief ein anderer Knirps.
»Ja, der Inlandtaipan zum Beispiel wird bis zu 2,5 Meter lang, und das Gift kann über 100 Menschen oder 250000 Mäuse töten. Diese Schlange ist zwar die giftigste Landschlange der Welt, aber extrem scheu.«
Unter Geplapper und Gelächter zogen die Zwerge ab.
»Na, da werden die Mamas, die jetzt gerade das Abendessen vorbereiten, aber ihre Freude an den Tischgesprächen haben«, bemerkte Irmi lächelnd.
»Wissen Sie, Frau Mangold, die meisten Kinder sind Schlangen gegenüber sehr offen. Die Angst wird ihnen von den Eltern eingeimpft. Kinder lieben Dinos, und da sind unsere Echsen natürlich besonders attraktiv. Wobei einem die Tiere leidtun können.«
Irmi sah ihn fragend an.
»Wir leben in einer seltsamen Welt. Reptilien werden illegal auf Börsen gehandelt, und ich kann sie mir im Internet bestellen, die kommen dann mit der Post.«
»Was?«
»Ja. Das ist leider Realität. Reptilien können bis zu achtundvierzig Stunden mit sehr wenig Sauerstoff überleben, die kommen wirklich in ganz normalen Postpaketen. Es gibt natürlich seriöse Tierlogistikfirmen, die sind aber nicht ganz billig und stehen im Fokus der Behörden. Manche Tiere werden auch über Tschechien eingeschmuggelt.« Er machte eine Pause. »Drogen, Menschen, Waffen, Tiere – kommt alles über den ehemaligen Ostblock. Und Reptilien haben einen Vorteil. Sie sind stumm. Totenstill. Der Zoll hat erst kürzlich wieder einen Lkw mit über zweihundert Schlangen erwischt, und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Reptilien haben keine Lobby in der Bevölkerung.«
»Aber das scheint ja ein riesiger Markt zu sein?«
»O ja, aber da geht es vor allem ums Prestige. Bei Kindern kommt der Wunsch nach Echsen und Schlangen noch von der Begeisterung für Dinos. Die sind ja auch faszinierend. Es gibt kleinere Echsenarten, die sich für Anfänger gut eignen, aber dann geht’s schon los: Die wenigsten Neulinge wissen, dass man Echsen immer als Pärchen halten sollte, dass Schlangen hingegen Einzelgänger sind.«
»Aber es muss doch Beratung geben?«
»Ja, aber nur, wenn ich von einem seriösen privaten Züchter kaufe, wo man sich selbst oder zusammen mit einem Fachmann ein Bild vom Zustand der Tiere macht. Tierhandlungen beziehen über Großhändler, da ist der Weg schwer nachzuvollziehen, und dann gibt es leider diese Börsen im Internet. Schlange auf Knopfdruck. Und wie wir im Falle des Daunenkönigs gesehen haben, entgleist das Ganze sehr schnell. Die Haltung ist
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