Mordsviecher
mein Bruder würde nicht mal Süddeutsche Kaltblüter gelten lassen. Er sagt, der Onkel und ein paar andere Altvordere hätten mit den Biestern nur Ärger gehabt und seien froh gewesen, als schließlich der Lockruf von Fendt, Schlüter und Kramer erschallte.«
»Das mag sein, aber es gab auch genug Bauern, die ihre Pferde geliebt haben. Und die sture Knochen gewesen sind, indem sie am Pferd festgehalten haben, obwohl es Traktoren gab. Ohne diese Sturschädel gäbe es heute keine Kaltblutrassen mehr, und das wäre ja auch ein Verlust an Kulturgut.«
»Wobei ich meinem Bruder schon ein bisschen zustimmen muss: So eine Frau Adsila, allein unter Mustangs, die Bokashi füttert und im Walleröckchen auf ihrem Gaul herumjoggt, das ist schon eine gewisse Herausforderung!«
»Wissen Sie, Frau Mangold, Frauen neigen dazu, ihre Seelenprozesse übers Pferd abzuhandeln. Die Pferde werden völlig verhätschelt und vermenschlicht, und am Ende helfen die ganzen Futterzusätze und Müslis nur einem: nämlich dem Hersteller. Und die ganzen Kurse helfen dem Pferdeguru.«
»Der Name Hempfling fiel auch«, sagte Irmi.
»O ja, eine sehr dubiose Figur! Eine Bekannte von mir aus dem Studium verteidigt ihn wie eine Löwenmutter ihr Junges. Dabei hat seine Gruppierung ganz eindeutig Sektenmerkmale. Es gibt einen Meister, der im Besitz der einen Wahrheit ist. Kritik verträgt er nicht, er grenzt sich mit seiner Gruppe von der restlichen Welt ab. Eine Philosophie mit pseudoreligiösen Zügen, und er selbst nennt sich Schamane – na, wenn das mal nicht nach Sekte klingt?«
»Frau Blume, ich sag Ihnen mal eins: Ich bin heute in unendliche Weiten vorgestoßen, da ist Raumschiff Enterprise ein Waisenraumkreuzer dagegen! Und mir langt’s! Ich gehe jetzt Kühe melken. Gottlob gibt es bislang keine Kuhflüsterer!«
Doris Blume lachte schallend, verabschiedete sich und schoss mit quietschenden Reifen davon. Irmi setzte Andrea an ihrem Auto ab und fuhr kopfschüttelnd nach Hause.
Dort half sie im Kuhstall, sank aufs Hausbankerl und machte sich ein Bier auf. Die beiden Kater rauften gerade miteinander, wobei der Kleine den Großen spielerisch in die Ohren biss. Als der Jungspund dann aber Kater heimtückisch in die Schwanzspitze biss, fuhr dieser herum, fauchte und spuckte Feuer wie ein Drache. Der Kleine plumpste zur Seite und wedelte mit der Pfote. Friede, Bruder, schien er zu sagen. Kurz darauf zogen sie Bauch an Bauch in Richtung Futternapf und fraßen einvernehmlich.
Lasst uns wie die Katzen sein, dachte Irmi, dann wäre die Welt in Ordnung, aber ich wäre arbeitslos …
10
Irmi hatte den Sonntag damit verbracht, Dachsenprügel zu entasten und zu stapeln. Der Montag begann mit einer kleinen Lagebesprechung im Büro. Kathi hatte Irmi vom Mittelalterfest ein Trinkhorn mitgebracht und war erstaunlich gut gelaunt. Wahrscheinlich hatte sie irgendeinen Barbaren oder Ritter oder sonst wen vernascht. Solche Eskapaden belebten Kathi immer ungemein. Seit sie ihren Veganer-Freund Sven abgeschossen hatte, war sie wieder zu einem eher promisken Lebensstil übergegangen.
Kathi hatte auch schon die Zeitungen vom Wochenende gesehen, Andrea hatte sich einen Mitschnitt der Sendung in Radio Oberland besorgt. Irmi hörte ihre eigene Stimme und fand, dass sie schauerlich klang. Aber das dachte wahrscheinlich jeder, der sich im Radio hörte. Alles in allem waren die Berichte brauchbar und hatten sich eher des Themas Animal Hoarding angenommen als des dubiosen »Giftunfalls«.
Ehe sie sich mit Kathi Richtung Rosenheim aufmachte, bat sie Andrea, die von Kathi begonnenen Recherchen zu den KS -Mitarbeitern fortzusetzen. Diesmal ließ sie Kathi fahren, deren waghalsige Überholmanöver allerdings lebensbedrohlich waren.
Immer wenn sie sich auf der West-Ost-Achse befand, wünschte sich Irmi diese Queralpenautobahn her, die mal im Gespräch gewesen war. Angesichts dieser zähen Kilometer von Garmisch nach Miesbach wurde ihr der Naturschutz ziemlich egal. Die Strecke war eine Heimsuchung.
Irgendwann hatten sie schließlich Rosenheim erreicht und fanden den Sitz von BBT gar nicht weit weg vom Zentrum in einem Mischgebiet. Die Firma bestand aus einem einstöckigen Bau mit einem Flachdach und einer größeren Halle. Gerade als sie das Büro im Flachbau betreten wollten, kam eine Frau in den Dreißigern auf sie zu. Sie trug eine weite schwarze Sporthose und war eher ein wenig mollig. Man sah ihr durchaus an, dass sie sportlich war, aber sie entsprach nicht dem
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