Mordswald - Hamburgkrimi
schloss die Augen. "Sie hat sich da nie
wohlgefühlt. Nach zwei Jahren stand im Schlafzimmer immer noch ein Stapel
Umzugskartons. Außerdem fand sie es komisch, dass Fotos von ihr der einzige
Wandschmuck in der gesamten Wohnung waren." Sie sah Lina an. "Sie
sagte einmal, sie sei sich nicht sicher, ob für Daniel die Beziehung wirklich
zu Ende war. Er hat sie zwar nicht mehr wegen eines Umzugs gedrängt, aber sonst
… sie beschwerte sich einmal bei mir, dass er sie ständig anruft, aber sie hat
sich nicht recht getraut, es ihm zu sagen." Barbara Schönbek holte tief
Luft. "Sie meinte, er habe niemanden außer ihr. Keine Freunde, keine
Familie, bis auf eine alte, demente Großmutter, nichts."
Auf dem Weg ins Präsidium besorgte Lina sich einen weiteren
Kaffee und stieg zusammen mit einer uniformierten Kollegin in den Fahrstuhl.
Diese hatte die langen, braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden und
nickte ihr freundlich zu. Ihr Namensschild verriet, dass sie Helms hieß. Sie
waren allein in der kleinen Kabine, aber außer einem kurzen Gruß sagte keine
von ihnen etwas, bis sie im fünften Stock anhielten und beide ausstiegen.
"Entschuldigen Sie", sagte Frau Helms, "wissen
Sie, wo die Mordermittlungsgruppe 3 sitzt?"
Lina musterte die junge Frau interessiert. "Das kleinste
Fünftel davon steht gerade vor dir", sagte sie. "Worum geht's?"
Frau Helms zögerte. "Ihr seid doch an dem Fall Birkner
dran, oder?"
Lina nickte. "Komm", sagte sie und ging mit der
Kollegin in ihr Büro. Max war schon da. "Das ist Max Berg, und ich bin
Lina Svenson." Sie warf ihren Rucksack auf den Boden. "Setz
dich."
"Danke. Ich … ich heiße übrigens Frauke … habe heute
Morgen im Krankenhaus einen Fall von häuslicher Gewalt aufgenommen. Der Mann
hat seine Frau vor den Augen der Kinder verprügelt. Gehirnerschütterung,
Rippenprellung, aufgeplatzte Lippe … ziemlich übel."
Lina nickte und wartete ab. Frauke Helms bemühte sich um
einen sachlichen Tonfall, trotzdem war ihr anzumerken, dass sie diesem
Scheißkerl am liebsten einmal allein im Dunkeln begegnen würde. Lina sah ihr
an, dass sie regelmäßig Sport trieb.
"Beim Namen hat es gleich bei mir geklingelt, aber die
arme Frau war kaum vernehmungsfähig, so dass ich gewartet habe, bis ich wieder
auf dem Revier war und den Namen nachschauen konnte. Ich glaube, die hat was
mit eurem Fall zu tun."
Alarmiert richtete Lina sich auf.
"Sonja Birkner. Ihr Mann ist Lukas Birkner, der Bruder
des Toten aus dem Niendorfer Gehege. Mein Chef meinte, ich soll euch das gleich
persönlich erzählen."
Lina wechselte einen Blick mit Max. Bei ihren Besuchen bei
dem Paar hatte Sonja Birkner ihre Angst nicht verbergen können, dass sie von
ihrem Mann drangsaliert wurde, war offenkundig. Hatte dieser Vorfall jetzt
etwas mit dem Mord an Lukas' Bruder zu tun? Schließlich wandte sie sich wieder
Frauke Helms zu. "Das war gut so, die beiden kennen wir tatsächlich. Was
hat die Frau denn erzählt?"
Erzählt hatte zuerst die Ärztin, die Sonja Birkner mitten in
der Nacht aufgenommen hatte. Die Frau war auch nicht von allein ins Krankenhaus
gekommen, ihre Schwester hatte sie regelrecht genötigt, sich behandeln zu
lassen, nachdem Sonja Birkner spät abends mit zwei völlig verstörten Kindern
humpelnd und blutend vor ihrer Tür gestanden hatte. Die Schwester hatte die
Kinder ins Bett gepackt, eine Nachbarin gebeten, auf sie aufzupassen, und war
mit Sonja ins Krankenhaus gefahren. Sie wusste, was los war; es war nicht das
erste Mal, dass Sonja sich zu ihr flüchtete, aber noch nie hatte Lukas Birkner
sie dermaßen zugerichtet. Gemeinsam mit der Ärztin hatte sie Sonja schließlich
überredet, die Polizei einzuschalten und Anzeige gegen ihren Mann zu erstatten.
Frauke Helms' Schicht hatte gerade angefangen, also hatte sie mit Sonja Birkner
gesprochen, aber nicht allzu viel aus ihr herausbekommen, da sie die arme Frau
nicht zu sehr habe drängen wollen.
Lina und Max hatten zugehört, ohne Frauke zu unterbrechen,
sich lediglich den Namen des Krankenhauses, der behandelnden Ärztin sowie der
Schwester notiert, zu der Sonja Birkner sich geflüchtet hatte.
"Was ist mit ihrem Mann? Habt ihr Birkner schon
festgenommen?", fragte Max.
Frauke Helms nickte. Sie hatte gleich vom Krankenhaus aus die
Kollegen informiert, die Birkner allein und in stark alkoholisiertem Zustand in
der gemeinsamen Wohnung angetroffen und gleich mitgenommen hatten.
Lina nickte. "Lasst den ruhig noch eine Weile
schmoren", sagte
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