Mordswald - Hamburgkrimi
und seiner Arbeit
kann das aber nicht gelegen haben. Er ist ein Perfektionist, und wenn die
Aufgabenstellungen wirklich so einfach waren, wie Sie es beschreiben, hat er
höchstens noch ein paar zusätzliche Sicherheitskomponenten eingebaut, die
keiner bestellt hat." Dann wurde sie wieder ernst. "Aber warum
stellen Sie eigentlich diese ganzen Fragen? Steckt Daniel in
Schwierigkeiten?"
Max antwortete nicht sofort. Schließlich sagte er: "Wir
ermitteln momentan in zwei Mordfällen. Herr Vogler kannte beide Opfer."
Die Frau zog die Augenbrauen hoch. "Ich wusste gar
nicht, dass das ein Verbrechen ist."
"Ist es auch nicht", sagte Max ruhig.
"Trotzdem muss ich überprüfen, ob die Angaben von Herrn Vogler der
Wahrheit entsprechen. Er sagt, er sei letzte Woche in der Nacht von Donnerstag
auf Freitag sowie diese Woche am Dienstagabend im Rechenzentrum eingeloggt
gewesen. Gibt es eine Möglichkeit, das zu überprüfen?"
Professor Thelmann musterte Max eine ganze Weile, ehe sie
langsam nickte. "Gewiss. Doch ich bezweifle nicht, dass Sie, wenn Sie die
Protokolle einsehen, Herrn Voglers Angaben bestätigt finden werden."
"Das heißt, Sie glauben ihm, wenn er sagt, er sei zu den
fraglichen Zeiten hier eingeloggt gewesen?"
"Das habe ich nicht gesagt." Die Frau blickte zum
Whiteboard, das die Wand rechts vom Schreibtisch einnahm, und machte ein
nachdenkliches Gesicht, als überprüfe sie die Formeln, die dort standen.
"Ich wollte nur andeuten, dass diese Protokolle kein Beweis dafür sind, ob
Daniel tatsächlich eingeloggt war oder nicht."
"Ach", sagte Max. "Kann man diese Protokolle
denn so einfach fälschen?"
Die Frau lachte auf. Sie hatte eine angenehme, warme
Altstimme, und in ihrem Lachen lag nichts von dem Spott, den Daniel Vogler in
sein Lachen legte. "Ein Kinderspiel ist es nun nicht gerade, aber ich habe
den Eindruck, Sie vergessen, mit wem Sie es hier zu tun haben. Daniel Vogler ist
ein absoluter Profi. Ihm würde es keine Schwierigkeiten bereiten, sich über
diese Protokolle für jede beliebige Zeit ein Alibi zu verschaffen." Sie
machte eine Pause. "Vorausgesetzt, er braucht eines."
Lina war früh genug aufgestanden, um zu Hause den ersten
Milchkaffee zu trinken, und war entsprechend munter, als sie um neun Uhr durch
die kleine Seitenstraße in Eimsbüttel schlenderte. Die Sonne schien, und sie
besah sich die schönen, alten Häuser, die fast alle wie frisch gestrichen
wirkten. Früher einmal war das Viertel um die Osterstraße herum ziemlich
altbacken gewesen, doch in den letzten Jahren hatte es sich gewaltig
herausgemacht. Diejenigen, die die horrenden Mieten in Eppendorf oder im
Schanzenviertel nicht mehr zahlen wollten oder konnten, waren hierhin
ausgewichen, in die prächtigen Jugendstil-Bürgerhäuser in der Eichenstraße oder
die einfacheren Altbauten in den umliegenden Straßen – mit dem Ergebnis,
dass es hier inzwischen ebenfalls so gut wie unmöglich war, eine bezahlbare
Wohnung zu finden.
Die Naturheilpraxis von Barbara Schönbek befand sich im
Souterrain eines Altbaus mit winzigem, aber liebevoll angelegtem Vorgarten.
Lina hatte sich telefonisch angekündigt, so dass ihr, kaum dass sie geklingelt
hatte, eine etwa vierzigjährige Frau freundlich lächelnd die Tür öffnete. Sie
reichten einander zur Begrüßung die Hand, und die Heilpraktikerin führte Lina
in einen Raum, der bis auf zwei bequeme Sessel und ein kleines Tischchen, auf
dem eine Kerze brannte, völlig leer war. Das Fenster zur Straße war mit
Reispapier verhangen, in einer Ecke spendete ein Deckenfluter angenehmes Licht.
Es roch nach frischer Minze.
Barbara Schönbek hatte einen Kräutertee vorbereitet, mit dem
sie Max sicherlich glücklich gemacht hätte, den Lina jedoch nur aus Höflichkeit
annahm. Sie tat, als würde sie daran nippen.
"Haben Sie Franka … ich meine Frau Leyhausen inzwischen
gefunden?", fragte Barbara Schönbek, noch ehe Lina den Becher auf dem
Tisch abgestellt hatte, um ihn für den Rest des Gesprächs zu vergessen. Lina
musterte die Frau, die sie erwartungsvoll ansah. Große, braune Augen, eine hohe
Stirn, schwarze, volle Haare, schmales Gesicht und schlanke Finger. Sie war
schön, doch Lina sah auch die Erschöpfung in ihrem Blick. Der Gesichtsausdruck
wandelte sich in Besorgnis. "Ist ihr etwas zugestoßen?"
Lina nickte. "Frau Schönbek, Ihre Freundin lebt leider
nicht mehr."
Die Frau schlug beide Hände vor den Mund, von einer Sekunde
auf die andere waren ihre Augen tränenfeucht. Stumm sah sie Lina an,
Weitere Kostenlose Bücher