Mordswald - Hamburgkrimi
anwesend, als mein Vater uns eröffnete, dass das Bankhaus
Ansmann & Sohn möglicherweise vor dem Aus steht. Natürlich bemüht sich die
Familie nach Kräften, eine Insolvenz zu vermeiden, aber", Katja Ansmann
lächelte dünn, "ich versichere Ihnen, dass Mord nicht zu den für uns
infrage kommenden Maßnahmen gehört." Leicht amüsiert blickte sie Lina an.
"Abgesehen davon geht es dabei um weit höhere Summen als die drei
Millionen aus der Lebensversicherung. Ich dachte, das sei selbst Ihnen
klar."
Lina blieb die Luft weg, in ihren Ohren rauschte es. Diese
arrogante Zicke mit ihrem süffisanten Grinsen! Sie spürte, wie sie die Fäuste
ballte, noch ein Wort von der Frau, und sie würde ausrasten, würde sie nach
Strich und Faden vermöbeln, würde ihr zeigen, was sie von ihr hielt, von dieser
reichen Schnepfe, die für Leute wie Lina nichts als Verachtung übrig hatte,
diese, diese …
"Ich denke, das ist Frau Svenson durchaus klar",
sagte in diesem Moment Max mit ruhiger Stimme. "Die Frage ist wohl eher,
ob Sie persönlich das Geld nicht vielleicht gut gebrauchen könnten."
Lina zwang sich, tief einzuatmen und die Luft langsam wieder
aus den Lungen strömen zu lassen. Sie lockerte die verkrampften Finger und
lauschte Max' sanfter Stimme, die wie immer eine ungeheuer beruhigende Wirkung
auf alle Anwesenden hatte. "Ihre Unternehmensberatung ist eine
Tochterfirma des Bankhauses Ansmann & Sohn, eine Insolvenz würde Sie also
sehr direkt betreffen." Er nickte langsam, während Katja Ansmann den Kopf
abwandte und aus dem Fenster blickte. Es hatte wieder angefangen zu regnen.
"Ich verstehe Ihre Angst, das alles hier zu verlieren", seine
fließende Handbewegung schloss nicht nur diese Wohnung, sondern einen gesamten
Lebensstil mit ein, "aber Sie werden sicherlich nachvollziehen können,
dass wir allen Verdachtsmomenten nachgehen müssen."
Katja Ansmann war wieder blass geworden, doch sie hielt sich
äußerst gerade, der Rücken war durchgedrückt, das Kinn vorgereckt. Dieses
Gespräch war ihr sichtlich unangenehm, vor allem Max' leise ausgesprochene
Worte, seine selbstverständliche Art, von ihrer Angst zu sprechen, als gäbe es
daran überhaupt keinen Zweifel. In dem Zimmer war es vollkommen still, nur das
leise Atmen der drei Menschen war zu hören. Schließlich wandte Katja Ansmann
sich wieder Max zu. Lina übersah sie geflissentlich. "Sie haben recht, die
Vorstellung, alles Gewohnte und Liebgewonnene aufgeben zu müssen, fällt mir
schwer. Und ja, das Geld aus der Lebensversicherung könnte das Schlimmste
verhindern. Aber", sie hob die Stimme und blickte ihm direkt ins Gesicht,
"ich versichere Ihnen, dass ich nichts mit Philips Tod zu tun habe. Ich war
den ganzen Abend bei meiner Freundin Evelyn Riemann, was diese
selbstverständlich auch vor Gericht bezeugen würde."
Bezeugen kann die, so viel sie will, dachte Lina, aber die
Theorie vom Auftragsmord ist damit noch lange nicht vom Tisch. Sie merkte, wie
erneut die Wut in ihr aufstieg. Sie musste hier raus, auf der Stelle, oder es
würde noch ein Unglück passieren. Sie stand auf, sah Max an und ignorierte
Katja Ansmann genauso, wie diese an ihr vorbeigesehen hatte. "Hast du noch
irgendwelche Fragen?", wollte sie von ihrem Kollegen wissen, und dieser
schüttelte brav den Kopf und erhob sich gleichfalls.
An der Tür konnte sie es sich dann aber doch nicht
verkneifen, sich noch einmal zu Katja Ansmann umzudrehen und sie von oben bis
unten zu mustern. "Es steht Ihnen selbstverständlich frei, sich erneut
beim Polizeipräsidenten zu beschweren. Aber auf unsere Ermittlungen wird das
keinerlei Einfluss haben."
Katja Ansmanns verblüfften Blick sah sie nicht mehr.
Draußen nieselte es, und Max spannte den Schirm auf.
"Dieses arrogante Miststück!", fluchte Lina, als
sie zwei Schritte vor ihm durch den Regen stapfte.
"Lina …" Max musste fast rennen, um zu ihr
aufzuschließen.
"Und dass sie keinen Kontakt mehr zu Daniel Vogler mehr
hat, kaufe ich ihr auch nicht ab. Wer weiß, wie lange die Bank von ihrem Alten
schon vor sich hin krepelt."
"Lina …" Max hob seine Stimme, doch sie redete
einfach weiter.
"Ich rede noch mal mit Marita Schön von der Wirtschaft.
Sie soll sich die Frau mal genauer vorknöpfen. Und den Daniel Vogler gleich
mit."
"Lina, würdest du mir bitte erst einmal erklären, was
zum Teufel eigentlich gerade los war?" Max war stehen geblieben und hielt
sie am Ärmel fest. Widerwillig drehte sie sich zu ihm um. Max' Gesicht war
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