Mordswald - Hamburgkrimi
gehört? Ein guter Hacker hätte wer weiß was anstellen können, und
niemand hätte es je spitzbekommen."
Lina sah sich in dem geräumigen Zimmer um. Es war zwar
ungemütlich eingerichtet, trotzdem war nicht zu übersehen, dass die Wohnung
nicht ganz billig gewesen sein konnte.
"Sind Sie selbst eigentlich nie in Verdacht geraten, den
Programmcode manipuliert zu haben?", fragte Max.
"Doch, natürlich", antwortete Vogler achselzuckend.
"Frank hat mich beschuldigt, aber Philip hat ihn gar nicht ernst genommen.
Ich war zur fraglichen Zeit auch gar nicht in der Firma, sondern hatte
Urlaub."
"Lässt sich denn so genau feststellen, wann die Daten
manipuliert wurden?", wunderte Max sich.
"Natürlich", erklärte Vogler und musterte ihn mit
leicht abschätzigem Blick. "Jeder Datenzugriff wurde protokolliert. Und
dieses Protokoll besagte, dass Frank derjenige war, der am Programmcode
herumgepfuscht hat."
Wie war das doch gleich mit den Hackern? Hatte Vogler nicht
gerade selbst gesagt, dass niemand etwas gemerkt hätte, wenn sich ein guter
Hacker an den Daten zu schaffen gemacht hätte? Lina ließ den Blick durch den
Raum schweifen, bis er an den beiden Fotos an der Wand hängen blieb.
"Herr Vogler, wissen Sie zufällig, wo wir Franziska
Leyhausen finden können?" Sie sah den Mann an, doch er wich ihrem Blick
aus.
"Ich nehme an, bei der Arbeit. Irgendwo im Hamburger
Stadtgebiet. Versuchen Sie doch, sie über Handy zu erreichen."
Lina tat, als machte sie sich Notizen. Warum wunderte er sich
nicht über diese Frage? Er wirkte, als hätte er damit gerechnet.
"Wann haben Sie denn zuletzt mit ihr gesprochen?",
fragte Max.
"Irgendwann letzte Woche, glaube ich. Montag oder
Dienstag."
"Haben Sie nicht Mittwoch mit ihr telefoniert?",
sagte Lina. "Soweit ich weiß, wollten Sie doch eventuell mit ihr zusammen
das Konzert in der Waldschänke besuchen."
"Stimmt, hatte ich ganz vergessen." Daniel Vogler
sah aus, als könnte er ein Gähnen nur mit Mühe unterdrücken. "Aber dann
hat es doch nicht geklappt, ich habe länger gearbeitet", erklärte er.
"Wo arbeiten Sie?", fragte Max.
"Ich bin an der Uni, kann aber meistens hier zu Hause
arbeiten. Donnerstagabend war ich im Rechenzentrum der Uni eingeloggt und habe
bis etwa zwei Uhr nachts gearbeitet." Er hob die Schultern. "Nachts
sind am wenigsten nervige Studenten unterwegs, die dumme Fragen stellen."
"Arbeiten Sie als Informatiker?"
Daniel Vogler nickte. "Informatiker und Mathematiker.
Ich beschäftige mich mit der partiellen Stabilisierbarkeit hochdimensionaler
nicht-ergodischer Markovscher Netzwerkprozesse, die natürlich asymptotisch
nicht gegen ein globales Äquilibrium konvergieren können. Mich interessiert, ob
in der raum-zeitlichen Dynamik marginale, also lokale, quasi-stationäre
Verteilungen existieren, falls diese lokalen Prozesse für t gegen unendlich
gegen ein Wahrscheinlichkeitsmaß konvergieren. Das hat viele Bezüge zur
Leistungsanalyse komplexer Systeme in der Informatik", fügte er erklärend
hinzu.
"Aha." Lina hatte nicht einmal Bahnhof verstanden
und ahnte, dass es Max nicht anders erging. Sie hatte versucht, mitzuschreiben,
aber mehr als ein paar in ihren Augen kryptische Begriffe waren dabei nicht auf
dem Papier gelandet. "Und mit so was verdient man genug Geld, um sich so
eine Wohnung leisten zu können?", fragte sie, noch ganz erschlagen von
dieser Jobbeschreibung.
Vogler lachte auf, und Lina kam sich vor wie ein dummes Kind.
"Natürlich nicht. Ich hatte etwas Geld beim Pokern gewonnen."
Lina runzelte die Stirn. Bei "Pokern" und
"Geld gewinnen" musste sie automatisch an den Film Der Clou denken, einen ihrer Lieblingsfilme. Aber sie glaubte nicht, dass Daniel Vogler
in einem mondänen Eisenbahnwagen gegen einen Mafiaboss angetreten war und
besser gemogelt hatte als dieser. "Wo kann man denn beim Pokern so viel
Geld gewinnen?"
Daniel Vogler gähnte hinter vorgehaltener Hand. "Im
Internet."
"Glücksspielgewinne sind in Deutschland verboten."
Vogler lachte erneut, und wieder klang es eher spöttisch als
gut gelaunt. "Da kräht doch kein Hahn nach. Im Übrigen ist Pokern kein
Glücksspiel, sondern ein Strategiespiel. Glauben Sie mir nicht? Dann googeln
Sie doch einfach mal. Ist inzwischen eine riesige Szene. Und mit ein bisschen
mathematischem Gespür ist das Ganze ein Kinderspiel." Er gähnte herzhaft.
"Bei den ganzen Amateuren, die da unterwegs sind."
Lina warf Max einen Blick zu und verdrehte die Augen. Daniel
Vogler hielt sich ja offensichtlich
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