Mordwoche (German Edition)
Georg Haller den Tipp bekommen hatte, war er noch einmal zu einem Besuch ins Altersheim aufgebrochen und hatte mit der Mutter des Hauptkommissars ein aufschlussreiches Gespräch geführt. Jetzt war er sich sicher, was Elfi ihm vorgestern Abend hatte sagen wollen. Peter Fuchs konnte es kaum glauben. Sie hatten eine gemeinsame Tochter. Aber irgendwie passte es auch zu Elfi, dass sie ihm die Existenz des Kindes verschwiegen hatte. Wahrscheinlich war ihre Schwangerschaft sogar der Grund gewesen, ihm den Laufpass zu geben.
Auch wenn er jetzt hier stand, inmitten der Beerdigungsgäste, wusste Peter Fuchs nicht, wie er sich verhalten sollte. Sollte er durch sein Auftauchen das Leben seiner Tochter durcheinanderbringen, jetzt wo sie ihre beiden Eltern so kurz hintereinander verloren hatte? Hatte er überhaupt das Recht dazu, in ein fremdes Leben hineinzuplatzen? Und wollte er das überhaupt? Immerhin hatte er eine Familie und ein glückliches Leben. Vielleicht war es auch ganz gut gewesen, dass Elfi ihm das gemeinsame Kind verschwiegen hatte. Was hätte er damals auch tun sollen? Sie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Die Verantwortung für das Kind hätte ihn unfrei gemacht. Wahrscheinlich wäre er in Bärlingen geblieben und wie ein namenloser Trabant um das unerreichbare Merz’sche Familienglück gekreist. Aber Elfi hatte ihn gehen lassen. Er war frei. Was also wollte er hier? Die Vergangenheit war vergangen und Elfi war längst Geschichte, wenn auch eine mit tragischem Ausgang. Peter Fuchs hatte dennoch beschlossen, zur Beerdigung zu gehen. Er würde es im Augenblick der Begegnung entscheiden, ob er auf seine Tochter zugehen wollte.
Auch Adriano und Valentina Felice standen in der Aussegnungshalle ganz hinten, was der Italienerin überhaupt nicht gefiel. Sie war schließlich hier, damit man sie sah. Wenigstens konnte sie ihren Hut aufbehalten, den sie sich extra für diesen Anlass gekauft hatte. Eigentlich wollte sie Elfi damit beeindrucken. Sie fand, dass sie mit dieser eleganten Hut-Kreation so etwas wie weltläufigen Chic in diesen Kleinstadtmief brachte. Schaut nur her, so etwas trägt man in Italien, dem Land der Mode!
Niemand schien die Neuankömmlinge zur Kenntnis zu nehmen. Gerade sang die Trauergemeinde gemeinsam ein Lied. Mamma mia ! Warum ließ man das denn nicht die machen, die es wirklich konnten! Valentina verstand nicht, warum man in Deutschland alles dann besonders gelungen fand, wenn es selbstgemacht war, egal wie stümperhaft das Ergebnis war. Dieser Gesang jedenfalls hätte Tote wiedererwecken können! Allerdings hätten diese ihre Särge dann bestimmt mit zugehaltenen Ohren verlassen. Da verging einem glatt der Spaß an dieser Veranstaltung! Valentina sah zu Adriano herüber. Ihr Mann schien mit seinen Gedanken allerdings ganz woanders zu sein und nichts zu hören.
Adriano Felice schenkte dem kläglichen Gesang der anwesenden Gemeinde keine Beachtung. Er betrachtete das große Portrait-Foto von Karl Merz, das mit einer schwarzen Schleife verziert neben dem Sarg stand. Dass sein Freund einen Mord bei ihm in Auftrag geben würde, daran hätte der Venezia -Wirt im Leben nicht gedacht. Er hatte zwar nicht lang nach den Gründen gefragt, warum Karl seine Hilfe in Anspruch nehmen wollte; Geschäft war schließlich Geschäft, aber gewundert hatte er sich trotzdem. Die Sache war seinem Freund sehr wichtig gewesen und er hatte Adriano bei allem was ihm heilig war schwören lassen, dass er sich an seine Anweisungen halten würde. Hatte Karl Merz gespürt, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb, um seine Angelegenheiten in seinem Sinne zu regeln? Immerhin wurde er bereits eine Woche nachdem er sich mit ihm im Venezia getroffen hatte, zu Grabe getragen. Karl musste gespürt haben, dass es bald mit ihm zu Ende gehen würde.
Ein gutes Gespür jedenfalls hatte Karl oft genug bei ihren Geschäften bewiesen. Das nützte seinem Freund jetzt allerdings auch nichts mehr und auch sein ganzes Geld hatte ihn nicht davor bewahrt, zu sterben, dachte sich Adriano. Das Leben war viel zu kurz, um es nicht jeden Augenblick in vollen Zügen zu genießen. Der Venezia -Wirt sah seine Frau von der Seite an. Toll sah sie aus, seine Valentina! Wie eine der großen italienischen Film-Diven. Er musste das Leben noch genießen, so lange es ging! Er würde das Restaurant ein paar Tage schließen und mit ihr und den Kindern in die Sonne fliegen. Der Job hier war so lukrativ gewesen, dass sie sich diese kleine Extravaganz
Weitere Kostenlose Bücher