Mordwoche (German Edition)
Anzug, die sieht niemand!“ „Aber ich spüre sie. Ich wüsste, dass ich sie anhabe und du auch. Das reicht schon!“ Valentina Felice küsste ihren Adriano, er war eben ein richtiger Italiener. Von ihm konnten sich die Bärlinger Männer in Sachen Mode und Stil noch eine Scheibe abschneiden. „Du kannst dich ja fest an mich kuscheln, mein Schatz, mein Pelz wärmt uns beide.“ Damit war die Sache entschieden. Die Felices machten sich auf den Weg zur Beerdigung.
- 29 -
„Hast du schon einen von den Polizisten gesehen?“ Otto König stand neben seiner Frau ganz hinten in der Aussegnungshalle und hatte sich zu ihr gebeugt, um ihr ins Ohr zu flüstern. Sie waren fast zu spät gekommen, aber da sie nicht die einzigen Nachzügler waren, hatte man mit dem Beginn der Trauerfeier noch ein paar Minuten gewartet. Für Beerdigungen mit so vielen Trauergästen war die kleine Kapelle nicht ausgelegt. Deshalb standen die meisten Anwesenden auch an den Seiten und im hinteren Bereich der Aussegnungshalle. Gerda schüttelte den Kopf. „Es sind so viele Leute hier. Den Schorsch hab ich noch nicht gesehen. Hoffentlich geht alles gut, Otto.“
Es würde schon alles gut gehen, hatte Stefano Zanolla seinen alten Freund Adriano beruhigt. Der Venezia -Wirt, mit dem er schon früher geschäftlich zu tun hatte, schien nicht so abgebrüht zu sein wie sonst. Es war ihm offensichtlich nicht ganz wohl, dass sein Kumpel aus Sizilien seinen Job heute in Bärlingen erledigte. Bei Stefanos letzten Einsätzen in Deutschland hatte Adriano ihn über die Details informiert, bezahlt und den Rest seine Sache sein lassen. Heute war das anders. Stefano Zanolla war froh, als Adriano auf die Uhr sah und sich selbst zum Aufbruch anhielt. Schließlich wolle er seine Frau nicht warten lassen.
Der Sizilianer atmete auf, als sein Freund endlich die Tür hinter sich zuzog. Er konnte nicht arbeiten, wenn man ihm über die Schulter sah. Er musste sich konzentrieren und da störte ein nervös hin- und herlaufender Adriano. Schließlich musste er seine Waffe auf die optimale Schussposition einrichten und außerdem brauchte er noch ein paar Minuten Ruhe, bevor er mit routinierter Professionalität das erledigen würde, wofür man ihn bezahlte. Sein Auftraggeber würde sich zwar nicht mehr von der Qualität seiner Arbeit überzeugen können, aber das spielte keine Rolle für Stefano. Wenn er ein Engagement als „Problemlöser“, so seine bevorzugte Selbstbezeichnung, annahm, spürte er so etwas wie ein Arbeitsethos. Der Kunde lieferte die notwendigen Informationen und akzeptierte seinen Preis. Dafür bekam er einen erstklassigen Service. Keine Fragen, keine Spuren, kein Ärger.
Karl Merz hatte seine Beerdigung minutiös geplant. Er hatte genügend Zeit gehabt, sich mit dem eigenen Ende zu beschäftigen. Der Krebs hatte ihn täglich daran erinnert, dass er seine letzten Angelegenheiten in Ordnung zu bringen hatte. Und so war an diesem Tag nichts dem Zufall überlassen. Das Gesteck auf dem Sarg bestand aus lauter gelben Rosen. Neben dem Sarg war ein großes Foto von Karl aus besseren Tagen aufgestellt. Der Autohaus-Senior hatte sich als musikalische Untermalung seiner Beerdigung zahlreiche regionale Musiker-Größen gewünscht, die ein veritables Requiem auf die Beine stellten. Elfi hätte sich diesen Aufwand und vor allem die Kosten gern gespart, aber die Töchter hatten bei der Vorbereitung der Beerdigung darauf bestanden, dass der letzte Wille ihres Vaters erfüllt wurde.
Jetzt saßen Katrin und Susanne mit ihren Familien in der ersten Reihe und wirkten zu Beginn der Zeremonie ganz gefasst. Susanne hatte sich die Manteltaschen mit Papiertaschentüchern vollgestopft. Seit sie schwanger war, war sie emotional leicht aus der Bahn zu werfen und schneller den Tränen nahe als sonst. Katrin schob Frank ihre Hand hin, der sie ergriff und festhielt. Sie würden ihre Probleme schon meistern. Der Schatten von Elfi würde zwar noch eine Weile durch ihr Haus geistern, aber das war nur eine Frage der Zeit, da war sich Frank sicher. Er hoffte, dass es in ihrer Ehe auch bald wieder besser laufen würde. Schon jetzt fand er, dass Katrin einen viel gelösteren Eindruck als noch vor einer Woche machte. Und das, obwohl sie beide Eltern verloren hatte.
Katrin spürte den leichten Händedruck ihres Mannes, sie war froh, ihn an ihrer Seite zu haben. Vor den Beileidsbezeugungen am Grab graute es ihr am meisten. Selbst wenn sie in der Todesanzeige darum
Weitere Kostenlose Bücher