Mordwoche (German Edition)
Hemd hatte er ihr wohl doch übel genommen. Sie fand Georg Haller eigentlich ganz nett. Er war wenigstens kein ewiger Ja-Sager wie viele andere Männer, die nur an das eine dachten, wenn sie mit ihr zusammen waren. Der Schorsch war da anders. Er schien sie wirklich als Kollegin mit eigener Meinung und nicht als nächste Eroberung, mit der man vor seinen Freunden und Kollegen rumprahlen konnte zu sehen. Etwas kauzig war er allerdings schon. „Alles klar, Herr Haller, wird erledigt, bin schon weg.“
Eigentlich doch eine ganz Patente, die Frau Töpfer, dachte Georg Haller, als seine Kollegin in Richtung Zuschauermenge verschwand. Uschi kam zurück zu ihm. „Dachte ich es mir doch, wir haben eine stark erhöhte Kohlenmonoxyd-Konzentration im Inneren des Wagens. Wir haben alle Türen geöffnet, in zehn Minuten kannst du dir deine Leiche ansehen.“ Der Hauptkommissar war angespannt. Schließlich begann seine Woche gewöhnlich geruhsamer und der kriminelle Höhepunkt seiner Tätigkeit war die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. War er hier am Ort eines Verbrechens? Fast wünschte Georg Haller sich, dass es Hinweise auf einen Mord geben würde. Der Dienst nach Vorschrift war für seinen Geschmack schal geworden und er sehnte sich nach einer echten beruflichen Herausforderung. „Konntest du irgendwelche Anzeichen von Fremdeinwirkung erkennen?“ „Nein. Aber es ist auch ausgeschlossen, dass jemand bei so einer CO-Konzentration noch eigenhändig die Spuren eines Selbstmordes beseitigt.“ Der Hauptkommissar schaute seine Kollegin fragend an. „Habe ich dich richtig verstanden, es gibt keine Hinweise auf eine Fremdeinwirkung aber auch nichts, das auf einen Suizid hindeutet?“ „Korrekt, Herr Kollege.“ „Aber tot ist die Leiche schon, oder?“
Die Zuschauer am Rand der Polizeiabsperrung nahmen es den Beamten persönlich übel, dass sie jetzt, wo es spannend wurde, ausgeschlossen sein sollten. Lisa-Marie Töpfer ging zuerst zu einem kleinen aufgebrachten Italiener, der ihrem Kollegen gerade vorrechnete, dass es seine Steuern seien, mit denen die Polizeiarbeit finanziert wurde. „Mein Kollege tut nur seine Pflicht, Herr?“ „Felice, Adriano Felice. Mir gehört das Venezia da drüben.“ Stolz wies er mit dem Kopf über die Schulter in Richtung Pizzeria. Er taxierte die junge Frau von oben bis unten, aber das gehörte für Lisa-Marie Töpfer schon zum Alltag und fiel ihr nicht mehr auf. „Haben Sie irgendetwas Auffälliges bemerkt im Zusammenhang mit der toten Person im Auto, Herr Felice?“ Adriano hätte das Gespräch schnell beenden können, denn er war lediglich auf dem Rückweg vom Großmarkt in sein Restaurant. Er hatte nichts gesehen, nichts gehört und wusste nichts. Aber diese junge Frau war so hübsch und sie fragte ihn, Adriano Felice, nach seiner Meinung. Das Gespräch musste doch in die Länge zu ziehen sein. „Ich hatte fruher auch eine VW-Käfer. Habe hart gearbeitet und viel gespart als ich nach Alemannia bin gekommen. Und von meinem ersten Geld ich habe mir gekauft ein richtig gutes deutsches Auto.“ „Das freut mich für Sie. Können Sie mir auch etwas über den Wagen hier sagen?“ Nach weiteren Ausführungen über den Vergleich von deutschen und italienischen Autos, sah Lisa-Marie Töpfer ein, dass hier nichts zu holen war und wandte sich einem anderen Passanten zu.
Uschi gab Georg Haller ein Zeichen, das CO-Warngerät zeigte normale Werte an. Der Hauptkommissar folgte seiner Kollegin zum Auto, das mit geöffneten Türen und offenstehendem Kofferraum jetzt ausreichend ausgelüftet war. „Das Tückische am Kohlenmonoxyd ist, dass man das Gas nicht riechen oder schmecken kann, es ist auch farblos. Normalerweise hätten wir das Auto einfach aufgemacht, aber die Scheiben waren auch von innen vereist. Das ist immer ein eindeutiger Hinweis. Hier ist das Kondenswasser, das sich beim Austritt von Kohlenmonoxyd bildet, gefroren.“ „Und wie schnell ist man bei so einer Vergiftung im Jenseits?“ „Das kommt auf die Konzentration bzw. die Motorleistung an und natürlich auch auf die Person.“ Auf dem Fahrersitz saß eine kleine Frau, vielleicht um die sechzig. Sie war angeschnallt, ihr Körper war zur Beifahrerseite umgekippt. Die Augen starrten ins Leere. „In der Regel führt eine Kohlenstoffmonoxyd-Konzentration von 8% innerhalb von 30 bis 60 Minuten zum Tod. Bei ihr hat es vielleicht knapp eine halbe Stunde gedauert, der Käfer ist immerhin recht klein. Erst hat sie Kopfschmerzen
Weitere Kostenlose Bücher